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Archiv-Artikel

Bremens Politik auf dem falschen Fuß erwischt

Wie Bremen am 12. September 2001 die Rasterfahndung abschaffte – und innerhalb von sechs Wochen zurückruderte

Von jank

Die Bremer wurden vom 11. September 2001 kalt erwischt: Die Trümmer der Twin Towers rauchten noch, als die Bremische Bürgerschaft das neue Polizeigesetz beschloss. Und das sah neben diversen Verschärfungen ausgerechnet die Abschaffung der Rasterfahndung vor – im Sinne einer Harmonisierung: Weil Niedersachsen keine Rasterfahndung kannte, wollten auch die Bremer darauf verzichten. Der damals frisch gebackene Innensenator Kuno Böse (CDU) gab lediglich zu Protokoll, die neue Regelung über den Datenabgleich bleibe „in ihrer Eingriffstiefe hinter der geltenden Fassung zurück“.

Besonders traurig schien aber auch er darüber nicht zu sein, erhielt seine Polizei doch im Gegenzug neue Kompetenzen wie etwa die Möglichkeit zum „finalen Rettungsschuss“.

Als die Ereignisse aus New York ein wenig gesackt waren, war plötzlich alles ganz anders: Der Großen Koalition schien das seit Jahren ungebrauchte Instrument plötzlich wieder unverzichtbar. Nur sechs Wochen nach Inkrafttreten wurde das Polizeigesetz erneut geändert: Als letztes Bundesland erlaubte Bremen die Rasterfahndung wieder. Die Grünen-Forderung nach einem Richtervorbehalt wischten die Großkoalitionäre vom Tisch. Begründung: Auch Niedersachsens Polizeigesetz sehe die Einschaltung eines Richters nicht vor.

Das dortige Landeskriminalamt scherte sich allerdings auch um das sechswöchige juristische Vakuum auf Bremer Territorium nicht besonders: Ein niedersächsischer Beamter verlangte noch im September von der Bremer Uni eine Liste aller arabischstämmigen Studenten. Die Universität verweigerte die Herausgabe. Erst als das neue Gesetz in Kraft getreten war, lieferten die Bremer Hochschulen Daten an die Polizei.

Nicht ohne Widerstand: Die Studenten erwirkten, dass sie über die Datenherausgabe informiert wurden. Ein Marokkaner klagte sogar bis zum Oberverwaltungsgericht – vergeblich. Nach dem Karlsruher Urteil könnte nun auch sein Verfahren wieder aufgerollt werden. jank