: Angst ohne Landkarte
Afrika-Rat verzichtet auf eine Karte der „No-go-Areas“ – verlangt aber eine offene Diskussion über Angstzonen
BERLIN taz ■ In die Debatte um „No-go-Areas“ hat sich erneut der Afrika-Rat eingeschaltet. Deutschland sei zwar nicht generell ein rassistisches Land, sagte der Vorsitzende der Organisation, Moctar Kamara. Faktisch gebe es aber Orte, wo sich Dunkelhäutige nicht sicher fühlten. „Das müssen wir deshalb auch deutlich sagen dürfen.“
Ursprünglich wollte der Afrika-Rat gestern eine Liste mit „No-go-Areas“ veröffentlichen. Von diesem Plan rückte der Dachverband allerdings ab. Begründung: Die Orte änderten sich zu schnell, als dass man sie in einem Atlas fixieren könne. Stattdessen werde man für dunkelhäutige Deutschlandbesucher einen „Katalog mit Vorsichtsmaßnahmen“ herausgeben, sagte Kamara. Er verwahrte sich aber gegen die Äußerung von Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), es sei nicht hilfreich, Gebiete als „No-go-Areas“ auszuweisen, weil man damit Rechtsextremisten die Räume überlasse. Er sei nicht bereit, sich für das gute Image des Landes zu opfern, nur damit es keine „No-go-Areas“ gebe, sagte Kamara. Diese Zonen zu beseitigen, sei Aufgabe der Politik.
Zustimmung erhielt Kamara von Sanem Kleff, die die Aktion „Schule ohne Rassismus“ ins Leben gerufen hat. Ihrer Ansicht nach hätte die Diskussion um „No-go-Areas“ nicht erst vor der Fußball-Weltmeisterschaft geführt werden sollen, sondern bereits vor „sieben, zwölf oder zwanzig Monaten“. Jeder in Berlin lebende Andersfarbige wisse, dass es sie faktisch gebe. „Wir haben alle eine innere Landkarte, die uns sagt, wo wir zu bestimmten Zeiten lieber nicht hingehen“, sagte Kleff.
Nach Ansicht von Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) trägt die Mehrheitsbevölkerung mit ihrem fehlenden Problembewusstsein entscheidend zur Entstehung von Angsträumen bei: Die Betroffenen empfänden nur dann Angst, wenn sie das Gefühl hätten, dass umstehende Zeugen im Falle verbaler oder physischer Gewalt gegen Minderheiten nicht einschreiten. Klose appellierte deshalb an die Bevölkerung, „das Klima der Angst zu durchbrechen“.
Die Serie rechtsextrem motivierter Gewalttaten geht unterdessen weiter. Unbekannte haben in der Nacht zu Dienstag einen Brandanschlag auf ein interkulturelles Zentrum in Berlin-Hellersdorf verübt. Wie ein Polizeisprecher mitteilte, schmierten sie Hakenkreuze an das Gebäude, zerstörten ein Fenster und warfen zwei Molotowcocktails in das Innere. Verletzt wurde niemand. Der Staatsschutz ermittelt. FELIX LEE