Fall Potsdam: Haftbefehle aufgehoben

Die zwei Männer, die Ostern einen Afro-Deutschen ins Koma geprügelt haben sollen, kommen frei. Der Bundesgerichtshof sieht keinen „dringenden Tatverdacht“ mehr, sondern nur einen Anfangsverdacht. Fechtet der Bundesanwalt die Entscheidung an?

VON ASTRID GEISLER
UND CHRISTIAN RATH

Fünf Wochen nach dem Angriff auf einen Afro-Deutschen in Potsdam hat der Bundesgerichtshof gestern die Haftbefehle gegen die zwei Tatverdächtigen aufgehoben. Der Ermittlungsrichter halte angesichts des „fortgeschrittenen Ermittlungsstadiums“ in der „Gesamtschau einen die Untersuchungshaft rechtfertigenden dringenden Tatverdacht der gefährlichen Körperverletzung nicht mehr für gegeben“, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit.

Björn L. und Thomas M. werden verdächtigt, am Ostersonntag einen 37 Jahre alten Ingenieur äthiopischer Herkunft im Potsdamer Stadtzentrum ins Koma geprügelt zu haben. Er hatte ein lebensgefährliches Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Inzwischen befindet sich der Familienvater auf dem Weg der Besserung, hat sich allerdings noch nicht vollständig von seiner schweren Verletzung erholt. Vor kurzem konnte er befragt werden, erinnerte sich aber bislang nicht an die Tat. Dies, erklärte die Bundesanwaltschaft, habe eine besondere Rolle bei der Entscheidung des Richters gespielt.

Die Bundesanwaltschaft betonte aber, dass keines der Indizien gegen Björn L. und Thomas M. weggefallen sei. Dies waren unter anderem am Tatort gefundenes DNA-Material an Bierflaschensplittern und Stimmen auf dem Anrufbeantworter der Frau des Opfers.

Der Haftbefehl gegen die beiden Verdächtigen war ursprünglich mit Fluchtgefahr begründet worden. Angesichts der drohenden erheblichen Freiheitsstrafe war angenommen worden, dass die Verdächtigen jede Chance zur Flucht nutzen würden. Neben der Fluchtgefahr muss jedoch auch ein dringender Tatverdacht vorliegen. Das heißt: Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Beschuldigten letztlich verurteilt werden. Diesen dringenden Tatverdacht hat der Ermittlungsrichter zunächst angenommen, jetzt aber verneint. Schon vor einigen Tagen hatte er bei der Haftprüfung keinen dringenden Tatverdacht wegen Mordversuchs mehr gesehen, sondern nur noch wegen gefährlicher Körperverletzung. Jetzt sieht der Ermittlungsrichter nur noch einen Anfangsverdacht, der aber für einen Haftbefehl nicht reicht.

Die Beweislage in dem Fall war von Anfang an umstritten – und hatte zu einem heftigen Streit zwischen Generalbundesanwalt Kay Nehm und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) geführt. Die Bundesanwaltschaft war zunächst von einem fremdenfeindlich motivierten Mordversuch ausgegangen – unter anderem, weil auf einer Handy-Mailbox zu hören war, wie das Opfer im Tatverlauf als „Nigger“ angepöbelt wurde.

Einer der Anwälte der Verdächtigen sagte, die von der Bundesanwaltschaft gegen seinen Mandanten gesammelten Indizien reichten nicht für eine Verwertung vor Gericht aus. Die auf Glassplittern am Tatort entdeckten Blutreste hätten sich nach einer DNA-Analyse als nicht eindeutig zuzuordnende Mischspur erwiesen.

Generalbundesanwalt Kay Nehm, der mit viel persönlichem Risiko sofort nach der Tat die Ermittlungen übernommen hatte, weil er einen fremdenfeindlichen Hintergrund für wahrscheinlich hielt, kann mit dieser Entwicklung überhaupt nicht zufrieden sein. Er hat aber noch die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Aufhebung des Haftbefehls einzulegen. Es spricht viel dafür, dass er dies am heutigen Mittwoch tun wird. Über diese Beschwerde entscheidet dann der 3. Strafsenat unter dem Vorsitzenden Richter Klaus Tolkstorf. Die Beschwerde hat allerdings keine aufschiebende Wirkung und kann die Freilassung der beiden Verdächtigen nicht aufhalten.