: Mickrige Mitläufer und Unterdrücker-Säue
Jonathan Meese geriet bei seiner Performance in den Hamburger Deichtorhallen mit seiner Mutter aneinander
„Meine kleine Micker-Meinung ist doch scheißegal! Und was die Kunst-Professoren – diese Unterdrücker-Säue – sagen, ist auch scheißegal. Denn die erzeugen nur Mitläufer. Die Kunst steht aber für sich und entscheidet selbst, was sie sein will!“
Gewohnt eloquent präsentierte der Installations- und Provokationskünstler Jonathan Meese die Performance „Der geometrische Gott“ in den Hamburger Deichtorhallen, die er noch bis zum 3. September mit einer Ausstellung bespielt. Auch der Duktus der Deklamation lag im Rahmen des Erwartbaren: Immer erregter rief der international Gefeierte seinen Hass auf den Kunstbetrieb ins Mikrofon.
Von opulenten Klängen und einer ebensolchen Drehbühne – Skelett-Bar, Wuschel-Teppiche und Kuschel-Ecke inklusive – präsentierte Meese seine Thesen. Kleine Pikanterie außerdem: die Anwesenheit seiner Mutter auf dem Bühnensofa. Ein die Realität anzapfender Kunstgriff nicht ohne Reiz: Live und in Farbe gerieten Mutter und Sohn schnell in einen Disput. Erfrischend ehrlich etwa das Bekenntnis der Mutter, dass sie normalerweise bei seinen Performances nicht anwesend sei. „Ich vertrage die immer so schlecht.“ Auch das Geständnis, „eher nolens als volens hier zu sein“, erfreute das Publikum sehr. Andererseits sei sie froh, „auch noch andere Kinder zu haben“. Die seien weniger anstrengend. Und ihren Sohn, den nehme sie halt hin. Warum sie ihn nicht ins – während des Dritten Reichs nazifreie – Internat Salem geschickt habe, wollte der wissen. „Ich hätte dort gern Zucht und Ordnung gelernt“. Und schließlich habe sie selbst ihre Jugend dort verbracht.
Sie habe ihre Kinder selbst beaufsichtigen wollen, erwiderte die tapfere Frau. Die des Erziehens übrigens nicht müde ist. Denn ursprünglich hatte der 36-jährige Meese, für seine Phallus-, Stalin- und Hitler-Provokationen bekannt, an diesem Abend mit Hakenkreuz-Amuletten erscheinen wollen. Doch die Mutter erlaubte es nicht. Sohn Meese fügte sich. Und nörgelte leise, dass er jetzt zum Mitläufer geworden sei wie all die anderen da draußen. Aber die interessieren ihn ja sowieso nicht. „Mich bewegt nur, was in diesem Raum passiert. Und das sind durchaus diffuse Dinge.“ Petra Schellen