: Von unten nach oben durch die Stadt
Mit der Eröffnung des Hauptbahnhofs ändern sich nicht nur die ICE-Strecken. Auch viele Regionalbahnen gewinnen an Fahrt. Der Nord-Süd-Tunnel verkürzt die Fahrtzeiten in einige Teile des Berliner Umlands deutlich
Neuerungen im Regionalverkehr
Mit der Einweihung des neuen Hauptbahnhofs am Lehrter Bahnhof stehen auch im Regionalverkehr der Deutschen Bahn umfangreiche Neuerungen an. Für viele Berliner Innenstädter, die sich für Brandenburg meist nur als Ausflugsziel interessieren, ergeben sich daraus zahlreiche Verbesserungen – weil die Züge schneller als bisher ihre Ziele im Umland erreichen.
Durch den Nord-Süd-Tunnel werden insbesondere die Orte im Norden und Süden besser erreicht. Sogar für potenzielle Berufspendler rücken nun durch deutlich kürzere Fahrzeiten Orte – etwa Fürstenberg im Norden oder Luckenwalde im Süden – ins Blickfeld, die bislang allenfalls als Ausflugsziele interessant waren. Da der Hauptbahnhof aber nur ungenügend an das Berliner Nahverkehrsnetz angebunden ist, wird manch Zeitgewinn wieder geschmälert, weil man länger in der S-Bahn auf dem Weg zum Regionalbahnhof sitzt.
Ähnliches gilt auch für Ostberliner, die Richtung Süden wollen. Weil weniger Regionalbahnen als bisher auf der Stadtbahn verkehren, müssen Fahrgäste, die zum Alex oder zum Zoo wollen, künftig öfter umsteigen. Vom Norden kommend, bietet sich ab Gesundbrunnen die U8 zum Alex an, vom Süden kommend, kann man die U2 Richtung Alex oder Wittenbergplatz ab Potsdamer Platz benutzen. Möglich ist natürlich auch, am Hauptbahnhof in die S-Bahn umzusteigen. Verschlechterungen gibt es auf einigen Außenstrecken in Brandenburg.
Wichtige Regionalbahnhöfe in Berlin werden künftig Südkreuz (bisher: Papestraße), Gesundbrunnen und der Potsdamer Platz sein. Abseits der bekannten Stopps auf Stadtbahn halten Regionalzüge auch in Jungfernheide, Lichterfelde Ost, Hohenschönhausen, Lichtenberg, Schöneweide und am Flughafen Schönefeld. Dass der Hauptbahnhof nur ungenügend an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen ist, mag also für Regionalbahnfahrer weniger schlimm sein als für Fernfahrer. Denn meist liegt ein Regionalbahnhof in der Stadt günstiger als der Hauptbahnhof. So ist der Bahnhof Gesundbrunnen von Prenzlauer Berg aus gut zu erreichen, aber auch Kreuzberger und Weddinger sind mit der U8 relativ schnell an diesem wichtigen Regionalbahnhof gen Norden. Aus Kreuzberg fährt künftig auch der Bus 147 direkt zum Hauptbahnhof. Wer einen wichtigen Zug kriegen will, sollte viel Zeit einplanen. In Mitte dürfte es oft für den Hauptbahnhofsbus ohne Umsteigen eng werden.
Nordwest: In Spandau geht‘s los
Die Westberliner Häuslebauer, die es nach Falkensee zog, haben vielleicht aufs falsche Pferd gesetzt. Falkensee und das Berliner Zentrum sind künftig nur noch durch zwei Regionalbahnlinien miteinander verbunden – bisher waren es vier. Und nur eine von beiden Linien fährt über die Stadtbahn und zum Bahnhof Zoo, die andere benutzt den neuen Nord-Süd-Tunnel. Allerdings profitieren die Falkenseer von der Aufwertung des Bahnhofs Spandau als Fernbahnhof. Weil der Zoo vom Fernverkehr abgehängt wird, damit der Hauptbahnhof ausgelastet ist, halten künftig mehr ICE gen Westen in Spandau.
Der RE 4 verkehrt vom Hauptbahnhof über Spandau und Neustadt (Dosse), das ein wichtiger Umsteigebahnhof im Havelland ist, über Wittenberge und Schwerin bis nach Wismar an der Mecklenburger Bucht. Die Fahrzeit an die westliche Ostsee beträgt rund zwei und eine dreiviertel Stunde. Nach Rostock fährt der RE 5, auch er braucht etwa zwei und eine dreiviertel Stunde bis in die Hansestadt, in der alljährlich die HanseSail stattfindet. Jeden Samstag fährt dorthin auch ein InterConnex-Zug.
Nach Rheinsberg kann man in Hennigsdorf umsteigen, einem kleinen Industriestädtchen im Nordwesten Berlins. Von Berlin-Spandau fährt der RE 6 direkt in das hübsche Städtchen am See. Die Fahrzeit beträgt allerdings gut zwei Stunden, nach Velten ist es rund eine halbe Stunde. Der RE 6 fährt auch über Wittstock (Dosse) durch die Prignitz nach Wittenberge. Kleinere Orte in der Prignitz wie Putlitz oder Meyenburg sind allerdings nur durch mehrfaches Umsteigen zu erreichen.
Der RE 2 nach Rathenow fährt wie bislang über Berlin-Spandau und die Stadtbahn. Die Fahrt vom Bahnhof Zoo nach Rathenow dauert genau eine Stunde. Dort kann man Richtung Stendal in der Altmark umsteigen.
Nordost: Bummeln in die Schorfheide
Im Berliner Nordosten liegen nicht nur das schöne Naturreservat Schorfheide und etwas weiter entfernt Usedom, sondern auch die Industriestädte Eberswalde und Schwedt – und etwas weiter die aufstrebende Provinzhauptstadt Stettin. Für eine Fahrt nach Stettin – immerhin die Berlin am nächsten gelegene Großstadt – braucht man aber gute Nerven. Wer nicht einen der beiden Direktzüge erwischt, muss künftig in Angermünde länger auf seinen Anschluss warten.
Die Schorfheide ist vom Zentrum auch weiterhin nur umständlich mit Umsteigen in Oranienburg oder Eberswalde zu erreichen; die Fahrzeit vom Alex nach Templin verkürzt sich allerdings von 109 auf 99 Minuten. Schneller geht es auch nach Eberswalde, 41 statt 49 Minuten, und nach Bernau im Speckgürtel sind es nur 27 Minuten. In beide Barnimstädte gelangt man also künftig von Mitte ähnlich schnell wie in einen Westberliner Außenbezirk mit der U-Bahn. Schneller geht es auch nach Schwedt. In die Hansestadt Stralsund benötigt der RE 3 drei und eine viertel Stunde, in die alte Universitätsstadt Greifswald sind es zwei und eine dreiviertel Stunde. Der IC ist nur unwesentlich schneller, fährt aber bis Binz an der Ostküste Rügens durch.
Nichts vom neuen Hauptbahnhof haben die Bewohner an den Regionallinien Richtung Tiefensee und ins Oderbruch bzw. nach Küstrin. Wie bislang enden beide Linien auf dem Bahnhof Lichtenberg. Wer weiter in die Innenstadt will, muss also umsteigen. Nach Tiefensee braucht man von Lichtenberg eine dreiviertel Stunde, ebenso lange dauert eine Fahrt nach Müncheberg, wo man Richtung Buckow in der schönen Märkischen Schweiz umsteigen kann. Ins polnische Küstrin dauert es eine und eine viertel Stunde. Die Garnisons- und Seestadt Strausberg (Vorstadt) ist in knapp zwanzig Minuten erreicht, die S-Bahn braucht etwa eine halbe Stunde.
Südwest: neuer Boomtown-Express
Zu den eindeutigen Gewinnern des neuen Nord-Süd-Tunnel gehört die Industriestadt Ludwigsfelde im Südwesten Berlins. Die Fahrzeiten in die Berliner Innenstadt verkürzen sich deutlich, und künftig fährt alle 30 Minuten ein Regionalexpress nach Berlin. Von der besseren Anbindung durch den RE 4 und RE 5 profitieren auch Luckenwalde und Jüterbog, die Ausgangspunkte für den deutschlandweit einmaligen Fläming Skate sind. Auch Stahnsdorf und der neue Regionalhalt Teltow im Speckgürtel an der Stadtgrenze gewinnen, weil die Regionalbahn viel schneller in der City ist als die S-Bahn. Für Kleinmachnow ändert sich hingegen nichts, da der Weg über Wannsee nach wie vor günstiger ist. Nördlich von Ludwigsfelde öffnen zudem die neuen Regionalbahnhöfe Birkengrund und Großbeeren.
Nach wie vor fährt der RE 1 über Wannsee, Potsdam und die Obstanbaustadt Werder nach Brandenburg (Havel) und Magdeburg. Die Züge fahren wie bislang über die Stadtbahn mit ihren vielen Umsteigemöglichkeiten – etwa am Bahnhof Zoo, Friedrichstraße und am Alex. Von Potsdam zum Alex braucht man eine halbe Stunde, von Brandenburg (Havel) zum Alex eine knappe Stunde. Die Fahrt nach Magdeburg dauert knapp zwei Stunden. Am Wochenende fährt morgens der HarzElbeExpres (HEX) direkt von Berlin in den Harz, die Fahrzeit bis Wernigerode beträgt rund dreieinhalb Stunden. Wer also in einem Mittelgebirge wandern will, kann sein Ausflugsziel bequem erreichen.
Wer sich seinen Spargel direkt in Beelitz kaufen will, gelangt in die märkische Kleinstadt in einer Stunde mit dem RE 7. Weiter geht es über Roßlau in die Bauhausstadt Dessau. Für Mitarbeiter des dortigen Umweltbundesamts lohnt eine tägliche Pendelei nach Berlin aber nicht, braucht die Regionalbahn doch rund zwei Stunden nach Dessau.
Südost: Flott in Frankfurt (Oder)
Die wichtigsten Strecken in den Osten und Südosten der Hauptstadt sind den meisten Berlinern geläufig, etwa in die Universitätsstadt Frankfurt (Oder) oder ans Märkische Meer, wie der Scharmützelsee auch heißt, in Bad Saarow, ebenso der Spreewald oder die Lausitzhauptstadt Cottbus, die den einzigen Ostklub in der ersten Fußballbundesliga beherbergt. Wie bisher fährt der RE 1 nach Frankfurt (Oder) und in die Stahlstadt Eisenhüttenstadt über die Berliner Stadtbahn. Vom Alex braucht man nach Frankfurt eine gute Stunde, nach Fürstenwalde mit Umsteigemöglichkeit Richtung Scharmützelsee ist es eine dreiviertel Stunde. Erkner ist in einer halben Stunde erreicht.
Storkow und Wendisch-Rietz im Seengebiet südöstlich der Stadt erreicht man ebenso wie Beeskow nur mit Umsteigen in Berlin-Schöneweide oder in Königs Wusterhausen. Nach KW, wie die Stadt im Südosten genannt wird, braucht man mit dem RE 2 nur eine gute halbe Stunde. Weiter geht es mit der gleichen Linie nach Brand, wo man in einen Shuttle-Bus zum Freizeitcenter Tropical Islands umsteigen kann. Die Fahrzeit vom Alex bis Brand beträgt eine knappe Stunde. Hängt man ein paar Minuten dran, ist man in den Spreewaldstädten Lübben und Lübbenau, die sich als Ausgangspunkt für Kahn- oder Kanufahrten bestens eignen. Nach Cottbus, Sitz einer Technischen Universität, benötigt der Zug rund eineinhalb Stunden.
Gleich zwei Regionalbahnen fahren Richtung Wünsdorf-Waldstadt, eine über Südkreuz und eine über die Stadtbahn und Berlin-Karlshorst. Auf dem Weg liegen das Industriestädtchen Dahlewitz, Sitz eines wichtigen Turbinenwerkes, sowie Rangsdorf am See und Zossen. Vom Potsdamer Platz nach Dahlewitz am südlichen Berliner Ring braucht man eine halbe Stunde, nach Wünsdorf ist es eine dreiviertel Stunde. RICHARD ROTHER