: Weg mit dem König!
REPUBLIKANER Jaume d’Urgell will die Monarchie in Spanien abschaffen. Dafür steigt er auf Kioskdächer und Parkhäuser
JAUME D’URGELL
AUS MADRID REINER WANDLER
Die Zeilen sind über 150 Jahre alt, aber gäbe es sie nicht, so müssten sie für Jaume d’Urgell geschrieben werden: „Er hängt an keinem Baum und hängt an keinem Strick, sondern an dem Glauben der freien Republik.“ Wie der badische Revolutionär Friedrich Hecker in dem Lied von 1848 träumt Jaume d’Urgell von der freien Republik. D’Urgell kämpft noch heute, in Spanien. Denn sein Land ist eine parlamentarische Erbmonarchie.
Jaume d’Urgell ist 37 Jahre alt, er wuchs in Barcelona als Sohn eines reichen konservativen Weingutbesitzers auf. Heute ist er Informatiker und gibt Rhetorikseminare an der Universität. Aber er hat nur ein Ziel: den Spaniern „die verheimlichte Geschichte des Landes“ zu erzählen. Sie zu Republikanern zu machen.
Es gibt keine Großdemonstration, auf der D’Urgell nicht mit seiner Fahne auftaucht. Sie ist drei mal vier Meter groß und hat drei Streifen: Rot, Gelb, Purpur. Es sind die Farben der Zweiten Spanischen Republik, die von 1931 bis 1939 bestand. D’Urgell steigt mit dieser Fahne auf Kioske oder Aufzüge von Parkhäusern. Wenn er das Tuch schwenkt, ist ihm Applaus sicher.
D’Urgell ist sogar bereit, für die Trikolore ins Gefängnis zu gehen. 2008 wurde er zu dreieinhalb Monaten Haft verurteilt, weil er bei einer Demonstration an einem Gerichtsgebäude die rot-gelb-rote Staatsfahne gegen die der Republik ausgetauscht hatte. Der Tatbestand lautete „Verunglimpfung Spaniens“, das Urteil ist seit vergangenem Jahr rechtskräftig. „Ich hoffe, dass sie sich nicht trauen, es zu vollstrecken“, sagt D’Urgell.
Gesprächspartner empfängt der 37-Jährige im Madrider Kulturverein Ateneo. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert schmiedeten hier Politiker und Intellektuelle republikanische Pläne. Die Erste Republik scheiterte 1874, noch bevor die Verfassung fertig geschrieben war. Die Zweite wurde 1931 ausgerufen, als der Großvater des heutigen spanischen Königs abdankte, und endete acht Jahre später nach einem blutigen Bürgerkrieg gegen die Truppen des Putschisten Francisco Franco, der Spanien bis 1975 eisern regierte.
D’Urgell sitzt im Büro des einstigen Ateneo-Chefs, Manuel Azaña, des Mannes, der als Staatspräsident 1936 bis 1939 versucht hat, die Republik im Bürgerkrieg zu verteidigen, und schließlich scheiterte.
„König Juan Carlos stand vier Jahre Franco zur Seite“, sagt D’Urgell. Es ist der wundeste Punkt des spanischen Monarchen. „Wird ein öffentliches Amt nicht gewählt, ist es kein öffentliches und auch kein demokratisches Amt.“ König Juan Carlos ist für D’Urgell nur ein hoher Militär, Oberbefehlshaber der Armee.
Längst ist D’Urgell nicht mehr der Einzige, der die republikanische Trikolore mit sich führt. Egal ob Gewerkschaftsaufmärsche, ob Frauentag oder Homosexuellenparade, Rot-Gelb-Purpur bestimmt das Bild.
Gemeinderäte, die von der kommunistischen Vereinigten Linken dominiert werden, stimmen gegen die monarchistische Verfassung. Und auch so manches Mitglied der Sozialistischen Partei von Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero besinnt sich zurück auf eine republikanische Ordnung. Ihr gehört auch D’Urgell nach einem vierjährigen Abstecher in verschiedene linke Gruppierungen wieder an.
Überall in Spaniens Städten finden sich Aufkleber: „Gegen die Arbeitslosigkeit – Republik“ und „Gegen die Finanzspekulanten – Republik“. D’Urgell ist damit nicht immer einverstanden. „Es ist ein Fehler, die Republik aus der Vergangenheit zu definieren und sie mit anderen – wenn auch noch so hehren – radikalen Zielen zu verbinden“, sagt er. D’Urgell definiert sich als Antimilitarist, bekennender Schwuler, rationaler Agnostiker und Sozialist. Doch der Einsatz für die Republik müsse ein Kampf für eine wirkliche Demokratie sein. „Eine freie, demokratische Republik eben, in der jeder Staatschef werden kann, egal aus welcher politischen Ecke er kommt.“
Mit solchen Aussagen macht er sich nicht nur Freunde. Er sei ein „politischer Clown“, heißt es in links-alternativen Internetforen. Als Beweis dienen Fotos aus dem Jahr 2008. Darauf ist D’Urgell auf der Schwulen- und Lesbenparade zu sehen, er ist splitternackt, den Körper hat er rot-gelb-purpur bemalt. „Ich werde doch nicht im Smoking auf die Schwulendemo gehen“, sagt er.
Jaume D’Urgell ist davon überzeugt, dass sich Spanien in drei bis vier Legislaturperioden von der Monarchie verabschieden wird. König Juan Carlos ist 72 Jahre alt und nicht bei bester Gesundheit. „Ein Wechsel auf dem Thron wird zu einer Krise im System führen“, sagt D’Urgell. Er glaubt fest daran. Von dem Porträt an der Wand blickt sein Verbündeter Manuel Azaña wachsam auf ihn herab.