POLITIK IM ÄPPELWOI-SUMPF

VON HARTMUT EL-KURDI

Als Hesse ist man politisch einiges gewohnt. Im Alter von fünfzehn Jahren lauschte ich einmal auf dem Kasseler Opernplatz dem damaligen CDU-Landes-Vorsitzenden Alfred Dregger. Der alte Fuldaer Kommunistenfresser zog zackig vom Leder. Eine Rede wie ein Stahlgewitter. Wie paralysiert stand ich in der Menge und dachte: So nahe werde ich dem Bösen nie mehr kommen, wenn ich nicht gerade Satanist oder Serienkiller werde.

Aber nicht nur aus der rechten Ecke kommt einem in Hessen Ekliges entgegen. Wobei ich die ungehobelten, autoritären Old-school-Sozen wie Holger „Dachlatte“ Börner nur mäßig „evil“ fand. Interessanter war da schon das Frankfurter Start-up-Unternehmen des Ego-Shooters Joseph „Joschka“ Fischer. Nach abgebrochener Berufsausbildung und mehreren gescheiterten Geschäftsmodellen – Revolution, Personenbeförderung, Schmuddelbuchübersetzung, Filmstatisterie, freiberuflicher Machismo – klappte dann doch noch was: Er kaperte eine Partei, stellte reihenweise Gegner kalt, ließ sich in Amt und Würden wählen und sicherte sich so eine staatliche Altersversorgung und lukrative Beraterverträge in der freien Wirtschaft. Fischer erfand – lange vor Angela Merkel – die komplett inhaltsfreie, nur am Machterwerb und dem eigenen Weiterkommen orientierte Politik.

Und nun: Tarek Al-Wazir. Eigentlich passt der sympathische Offenbacher nicht in die hessische Schurkenriege. Und trotzdem will er die Grünen nun in die „erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland“ führen. Warum auch immer.

Schließlich hat er doch alles miterlebt: Die CDU-Spendenaffäre, die angeblichen „jüdischen Vermächtnisse“ und die Anti-Doppelpass-Kampagne: „Wo kann isch dann hier geeschen die Ausländä unnerschreibe?“ – „Ei, hier drübbe, junge Frau!“

Nicht zuletzt ist Al-Wazir selbst immer wieder von der CDU rassistisch angegangen worden. Ob hinterfotzig, wie auf den CDU-Plakaten von 2008, auf der die beiden Konkurrenzkandidaten sehr bewusst namentlich erwähnt wurden: „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“ So konnte man sehr schön an die Ängste der hessischen Landbevölkerung vor Ausländern appellieren, ohne „Deutschland den Deutschen“ plakatieren zu müssen.

Oder noch platter, als Al-Wazir im hessischen Innenausschuss mit „Kameltreiber“ betitelt wurde. Oder als der CDU-Abgeordnete Clemens Reif im Parlament während einer Rede des grünen Fraktionsvorsitzenden „Geh zurück nach Sanaa!“ blökte, womit Reif sagen wollte, Al-Wazir solle doch gefälligst in das Herkunftsland seines Vaters, den Jemen verschwinden.

Und mit diesen Leuten sitzt er nun am Tisch, um irgendeinen Quatsch auszuhandeln, vielleicht ein Nachtflugverbot für den Frankfurter Flughafen zwischen 24 und null Uhr. Mehr wird da nicht zu holen sein.

Zu erklären ist das nur mit der Fallhöhe, die Politiker in Hessen offenbar brauchen. Hessische Politik ist ein Synonym für Lügen, Intrigen, Verrat – und Scheitern. Reine Emotion. Mit einer Ausnahme: Hans Eichel. Aber der ist ein anderes Thema …