: Unter Krähen
Der umstrittene BND-Bericht ist veröffentlicht. Wie die Journalisten von „Focus“, „Spiegel“ und „Süddeutscher“ mit der Affäre umgehen – und nebenbei alte Rechnungen begleichen
von STEFFEN GRIMBERG
„Geheimdienstler und Journalisten haben manches gemeinsam“, schrieb vor zehn Tagen Kurt Kister, stellvertretender Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, „zumindest wenn sie auf dem weiten Feld der Informationsbeschaffung tätig sind.“ Bei diesen Recherchen spiele oft aber auch „eine große Rolle, dass sich etliche Menschen gerne wichtig machen“. Und weiter: „Neben der Wichtigtuerei ist ein bedeutendes Motiv für viele Auskunftgeber, dass sie anderen persönlich schaden wollen.“
Was Kister hier für die Informationsbeschaffung und die Bereitschaft, Details auszuplaudern postuliert, gilt offenbar aber genauso für den eben laufenden Versuch, die BND-Spitzelaffäre aufzuarbeiten. Alte Rechnungen, scheint es, sind allenthalben offen.
Schon der Spiegel zitierte Anfang der Woche umfänglichst aus dem bis gestern noch geheimen Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer. Und zwar so, dass die Reputation des eigenen Blattes stets außer Frage steht, aber Erzkonkurrent Focus eins ausgewischt bekommt. Dazu werden noch einmal aus dem Schäfer-Bericht die Passagen zitiert, die den Journalisten Hans Leyendecker betreffen. Der hatte im April 1995 – damals noch Spiegel-Redakteur – den „Bombenschwindel des BND“ enthüllt und beschrieben, wie der BND selbst den vermeintlichen Plutonium-Schmuggel inszeniert hatte. Leyendecker, so fasst der Spiegel die Spitzel-Aussagen laut Schäfer-Bericht zusammen, sei aber später selbst bei Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust in Ungnade gefallen, da die Rechercheure „bei seiner Plutonium-Enthüllung dem russischen Auslandsgeheimdienst SWR aufgesessen“ seien: „Für Aust stellt sich dies in eine Reihe mit dem Reinfall Leyendeckers in der Berichterstattung über Bad Kleinen“, zitiert der Spiegel weiter. Und stellt im Folgenden klar, dass an der Russland-Connection rein gar nichts dran war. Der Hieb gegen Leyendecker in Sachen Bad Kleinen – „gemeint ist der Tod des Terroristen Wolfgang Grams und des GSG-9-Polizisten Michael Newrzella“ (O-Ton Spiegel) dagegen bleibt. Leyendecker arbeitet heute bei der Süddeutschen Zeitung.
Und arbeitet sich seinerseits zu viel am Focus ab. Er kenne keine BND-Geschichte, so Leyendecker bei der Jahrestagung des Netzwerks Recherche am vergangenen Wochenende, dafür aber eine Focus-Geschichte. Gestern legte Leyendecker in der SZ nach: Der BND habe „bei der Suche nach Spiegel-Informanten erkennbar auf die Hilfe von Journalisten, vor allem vom Konkurrenzblatt Focus“, gesetzt. Das stimmt wohl – drei zeitweilige Focus-Mitarbeiter werden als BND-Zuträger genannt. „Das Magazin, sagt spöttisch ein hochrangiger CDU-Politiker nach Lektüre des Schäfer-Berichts, sei ‚das einzige Blatt, das den Spagat zwischen BND und Stasi geschafft hat‘ “, so die SZ weiter.
Der Focus sieht sich seinerseits als Opfer: „Die politischen Folgen der Affäre sind kurios“, schreibt „Fakten“-Mann Helmut Markwordt: „Zuständige Politiker in Berlin würden die BND-Affäre gern zu einer Medienaffäre drehen“. Auch hier ist was dran.
Der Stern musste sich in seiner aktuellen Ausgabe wiederum bei Spiegel-Chef Aust entschuldigen, weil der unter Berufung auf den ebenfalls höchst umstrittenen Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom berichtet hatte, der BND verdächtige Aust, polnische Wanderarbeiter zu Minilöhnen zu beschäftigen. „Das ist offensichtlich falsch“, so der Stern, der den Magazin-Konkurrenten Aust „leider vorher nicht dazu gehört hatte“. Und Schmidt-Eenboom, von der Süddeutschen vor einer Woche selbst als BND-„Spitzel“ bezeichnet, sagt, SZ-Autorin Annette Rammelsberger habe ihn vorher nicht mit ihren Vorwürfen konfrontiert. Rammelsberger selbst schweigt zu diesem Punkt.
Diese und ähnliche „Vorwurfslagen“, wie so etwas im BND-Sprech wohl heißt, bergen eine große Gefahr: Sie verstellen den Blick aufs Wesentliche bei dieser Angelegenheit. Dabei ist sie schon undurchsichtig genug.