Irak: Ermittlungen gegen deutsche Firmen

Verdacht illegaler Zahlungen an Saddam Hussein durch Schering und Siemens. Verfahren in fünf Bundesländern

BERLIN taz ■ Staatsanwaltschaften in mindestens fünf Bundesländern untersuchen mittlerweile, ob deutsche Unternehmen Schmiergeld an den irakischen Exdiktatur Saddam Hussein gezahlt haben. Nach Informationen der taz laufen Ermittlungsverfahren gegen Firmen in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Vorermittlungen betreiben die Staatsanwaltschaften in München und Nürnberg gegen den Siemens-Konzern.

Die Verfahren wurden ausgelöst durch den Bericht der so genannten Volcker-Kommission der Vereinten Nationen vom November 2005. Der UN-Ermittler Paul Volcker hatte rund 2.200 Unternehmen, darunter 63 deutschen, vorgeworfen, illegale Zahlungen von insgesamt etwa zwei Milliarden Dollar an die irakische Regierung geleistet zu haben. Im Rahmen des Hilfsprogramms „Öl für Lebensmittel“ (1996 bis 2003) durften Firmen trotz des Wirtschaftsembargos Waren in den Irak liefern. Den UN zufolge zahlten sie verbotene Aufschläge von oftmals zehn Prozent des Warenwertes.

Aus Berlin nennt der Volcker-Report zwei Firmen: den Pharmakonzern Schering AG und die Energieanlagen-Firma Heinkel Systemservice. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin erklärte gegenüber der taz, dass „die Vorprüfungen abgeschlossen“ seien und „zwei Ermittlungsverfahren laufen“. Bei Schering heißt es dazu, man wisse nichts von einem Verfahren. Das Unternehmen habe auch keine illegalen Zahlungen an den Irak geleistet. Dies habe die UNO nur „vermutet“. Eine Sprecherin verweist auf die geringe Summe von nur 8.300 Dollar, die Schering laut Volcker-Bericht illegal an die irakische Regierung überwiesen haben soll. Im Falle von Siemens sind die fraglichen Summen höher. Gut 520.000 Dollar illegaler Zuschläge verzeichnet die Liste der Vereinten Nationen. „In Bezug auf Siemens gibt es einen Anfangsverdacht, aber noch kein Ermittlungsverfahren“, so die Staatsanwaltschaft München.

In Schleswig-Holstein laufen Verfahren gegen drei Firmen. In Baden-Württemberg steht DaimlerChrysler unter Verdacht. In Nordrhein-Westfalen erklärt Bernd Bienioßek, dass die Staatsanwaltschaft Bochum zwei Ermittlungen betreibe. In deren Einzugsbereich fallen eine Energiefirma in Essen und ein Pumpenhersteller in Witten.

Wie auch in den anderen Bundesländern sollen die Ermittlungen aufklären, ob die Firmen mit nicht genehmigten Zahlungen an die irakische Regierung gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen haben. Außerdem debattieren die Juristen, ob die Zuschläge als Schmiergelder im Sinne des Internationalen Bestechungsgesetzes zu werten sind. Hier gibt es Zweifel. Schließlich hätten nicht die Firmen die Absicht gehabt, sich einen Vorteil zu verschaffen, sondern der Irak habe die Unternehmen unter Druck gesetzt. Weil seine Auslandskonten eingefroren waren, wollte Saddam Hussein sich angeblich auf diesem Wege finanziellen Spielraum verschaffen.

HANNES KOCH