: Kunst kaufen, Folteropfern helfen
AUKTION Fast 100 Kunstwerke werden zugunsten der Stiftung Überleben versteigert, darunter Arbeiten von Barbara Klemm und Christo & Jeanne-Claude. Auktionator ist der Rechtsanwalt und Kunstexperte Peter Raue
Gemeinsam mit der Pentecta Gesellschaft für kulturelle Entwicklung mbH veranstaltet „Überleben – Stiftung für Folteropfer“ in der Berliner IHK ihre 15. Kunstauktion. Die Erlöse gehen an das Behandlungszentrum für Folteropfer.
■ Kunstauktion: Sonntag, 1. 12., 16 Uhr, IHK Berlin, Fasanenstr. 80–85. Anmeldung erforderlich unter m.wolf@ueberleben.org oder Fax-Nr. (030) 30 61 43 71. Vorbesichtigung von Donnerstag, 28. 11., bis Samstag, 30. 11., 10–18 Uhr und Sonntag, 1. 12., 10–14 Uhr. Eintritt frei.
VON REGINA LECHNER
Im Sekundentakt schnellen Hände nach oben. „Achthundert, neunhundert, tausend“, zählt Peter Raue. Plötzlich herrscht Ruhe im Saal, niemand regt sich. „Das muss noch mehr werden“, sagt Raue entschieden und hält nach neuen Geboten Ausschau. So wird es am kommenden Sonntag wieder ablaufen, wenn der bekannte Rechtsanwalt und Kunstexperte die Auktion der Stiftung Überleben moderiert.
Zum 15. Mal findet sie statt, seit der zweiten Veranstaltung ist Peter Raue als Auktionator dabei. Neben ihm wird wie immer Britta Jenkins auf der Bühne der Industrie- und Handelskammer Berlin stehen und Raue ein Zeichen geben, wenn er die gehobene Hand eines Bieters übersehen sollte. „Wenn die Auktion ins Stocken gerät, gibt es eine Anspannung im Saal, die man am ganzen Körper spürt“, erzählt Jenkins, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung Überleben und Hauptorganisatorin der Kunstauktion.
Für hohe Qualität sorgen zwei Juroren
Unter den Hammer kommt für den guten Zweck auch wieder eine Arbeit von Raues Tochter, der Künstlerin Rebecca Raue. Sie malt, schreibt und zeichnet auf große Fotografien. Die künstlerische Bandbreite der insgesamt 97 Arbeiten in der Auktion ist groß: Da ist etwa Barbara Klemms Porträt von Joseph Beuys, zwei Schablonengraffiti von Streetartist El Bocho oder auch ein Druck von Christo und Jeanne-Claude, der den verhüllten Reichstag zeigt.
Von Helga Ntephe stammt ein Kalender für das Jahr 2014 mit zwölf Originalen, von Klaus Staeck eine Collage und von Manfred Hamm ein signiertes Ausstellungsplakat. „Die diesjährige Auktion hat durchweg Arbeiten von hoher Qualität, die – ich habe keinen Zweifel – ihren Käufer finden werden“, so Raues Einschätzung.
In den letzten Jahren sei es ohnehin nicht vorgekommen, dass Kunstwerke ohne Gebot blieben, berichtet Britta Jenkins. Um die Qualität hoch zu halten, gebe es immer eine Jury aus zwei Personen. In diesem Jahr waren es die Kuratorin Jana Sperling und die Künstlerin Cheryl Joscher, die eine Auswahl aus den Einsendungen von Künstlern, Galerien und Sammlern trafen. Jenkins erwartet, dass der Erlös von insgesamt 128.000 Euro im vergangenen Jahr noch übertroffen wird. Das Geld geht wie immer direkt an das Behandlungszentrum für Folteropfer, das verschiedene Therapien für Flüchtlinge anbietet.
1992 wurde dieses Behandlungszentrum gegründet, fünf Jahre später die Stiftung, um die Finanzierung einzelner Projekte sicherzustellen. Im Kuratorium der Stiftung war von Anfang an Werner Gegenbauer, damals Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer. Auf seine Anregung hin wurde die Kunstauktion 1999 ins Leben gerufen, mit dem Ziel, mehr Fachleute aus der Wirtschaft als Unterstützer für die Stiftung zu gewinnen.
„Folter ist ein furchtbares Thema, mit dem viele Menschen nichts zu tun haben wollen“, so die Erfahrung von Britta Jenkins. Viele Beteiligte – Künstler wie Kunstkäufer – würden deshalb nicht um die Details der Arbeit des Behandlungszentrums wissen wollen. Peter Raue hingegen hat sich damit auseinandergesetzt: „Stiftung Überleben hilft denen, denen niemand hilft“, sagt er, „Menschen, die gefoltert wurden, unter unwürdigen Umständen eingesperrt waren und traumatisiert sind. Nicht am Körper, sondern an der Seele. Dafür gibt es keine Krankenbehandlung, aber ohne Hilfe werden diese Menschen nie in ein Leben, das Freude bereitet, zurückkehren können.“
In das Behandlungszentrum kommen Flüchtlinge, die bereits in Deutschland leben. Zusätzlich zur Folter in ihren Heimatländern haben viele von ihnen auch auf dem Weg nach Deutschland Schreckliches erlebt. Werden sie als Patienten in das Zentrum aufgenommen, müssen sie zwei fremden Personen, einem Übersetzer und einem Therapeuten, ihre Geschichte erzählen. Dabei weiß manchmal nicht einmal die eigene Familie, was der Person zugestoßen ist. „Das Wichtigste ist deshalb die Vertrauensbasis“, sagt Jenkins.
Ziel der Therapie sei es, die Menschen wieder zu einem autarken Leben zu befähigen; dazu sei es entscheidend, dass sie ihre seelischen und körperlichen Narben annehmen und lernen, damit umzugehen. Zu den Projekten, die die Stiftung finanziert, gehören unter anderem ein Heilgarten, die Schmerztherapie durch Biofeedback und verschiedene kunsttherapeutische Angebote.
„Mit mehr Geld könnten wir natürlich noch mehr tun“, erklärt Britta Jenkins. Sie weist darauf hin, dass viele Interessenten erst einmal auf eine Warteliste kommen – gerade deshalb ist der erfolgreiche Ausgang der Kunstauktion so wichtig.