: Wenig Durchblick – viele Fragen
Der BND-Bericht von Sonderermittler Schäfer bleibt Antworten schuldig. Noch ist unklar, wer die Bespitzelung von Journalisten in Auftrag gegeben hat
AUS BERLIN WOLFGANG GAST
Am Ende bleiben jede Menge Fragen. Zum Beispiel diese: Was hat Deutschlands prominentesten Geheimdienstkritiker Erich Schmidt-Eenboom dazu getrieben, dass auch er am Ende für den Pullacher Dienst tätig wurde? Schmidt-Eenboom, Leiter des Weilheimer Forschungsinstitutes für Friedenspolitik, war immerhin über Jahre von Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes illegal überwacht und observiert worden. Das ist jetzt amtlich – es steht auf Seite 153 des am Freitagabend veröffentlichten Berichtes des früheren Bundesrichters Gerhard Schäfer.
In der für das Parlamentarische Kontrollgremium verfassten Studie über die Bespitzelung von Journalisten heißt es: „Unverhältnismäßig war vor allem die Dauer der Maßnahmen, die letztlich auf eine Totalüberwachung des Betroffenen hinauslief.“ Das ist aber nur eine Seite.
Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte sind die meisten Namen in Schäfer Bericht pseudonymisiert. Schmidt-Eenboom etwa firmiert unter „Journalist T“. Auf Seite 154 listet der Bericht für das Jahr 2002 dann „Gespräche Journalist Ts mit Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes“ auf. Für den Geheimdienstkritiker vernichtend vermerkt Schäfer: „Bei diesen etwa zehn Gesprächen hat Journalist T. zweifelsfrei eine Fülle von Nachrichten mitgeteilt, die für den Bundesnachrichtendienst interessant waren,“ Und weiter: „Es ist charakteristisch für den Einsatz von Gewährspersonen und V-Leuten, dass sie Zugang zu Informationen verschaffen, die offen … nicht hätten erlangt werden können, über die aber Journalist T. verfügte, weil sie ihm im Vertrauen auf seine Eigenschaft als Medienangehöriger zugänglich waren.“ Geradezu grotesk: Denn Schmidt-Eenboom war es selbst, der mit Berichten über seine Observation im Herbst vergangenen Jahres die BND-Affäre ins Rollen brachte.
Zu den offenen Fragen in dem 179 Seiten starken Bericht gehört auch: Wer trägt eigentlich die Verantwortung für die Spitzeleien? Das Bundeskanzleramt sei über die Vorgänge erst im November 2005 unterrichtet worden, schreibt Schäfer. Und traut der Sache doch nicht so recht. Bei all dem Wirbel, den Schmidt-Eenboom mit seinem BND-Buch „Schnüffler ohne Nase“ verursachte, sei „schwer verständlich“, dass sich das Kanzleramt nicht nach Abwehrmaßnahmen des BND erkundigt haben soll.
Grundsätzlich geht für Schäfer eine Anwerbung von Journalisten als Quellen in Ordnung: „In wieweit sich die Tätigkeit des Journalisten mit dessen journalistischem Selbstverständnis vereinbaren lässt, ist keine Rechtsfrage“, merkt der frühere Bundesrichter geradezu spöttisch an. Prominentes Beispiel: der frühere Focus-Mitarbeiter Wilheml Dietl, in Schäfers Bericht „Journalist V“, der zweite große Komplex seiner Untersuchung. Danach führte der BND Dietl von August 1982 bis zu seiner Abschaltung im September 1998 als Quelle und zahlte ihm rund 650.000 Mark. Vor allem im Nahen Osten wurde Dietl tätig, er galt als „Juwel“. Schäfer schreibt, Dietl habe 1997 zugesichert, keine negativen Meldungen über den Dienst zu bringen. Bestätigt wird auch, dass Dietl die Quellen anderer BND-kritischer Autoren ausfindig machen sollte. Nach knapp 300 Treffen mit BND-Mitarbeitern sei Dietl im August 1998 auf eigenen Wunsch abgeschaltet worden. Er befürchtete, seine Verbindung zum BND könnte bekannt werden.
Sollten gesetzliche Konsequenzen gezogen werden? Nicht nötig, schreibt Schäfer, ganz im Gegensatz zur Opposition im Bundestag, die als Konsequenz den gesetzlichen Auftrag des Kontrollgremiums erweitert sehen möchte. Schäfer votiert allerdings für eine Änderung der Dienstvorschriften, um Maßnahmen des BND enger zu fassen und um sie dokumentieren zu können.