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Archiv-Artikel

Nur langsam kommt die Erdbebenhilfe

Im indonesischen Erdbebengebiet dominiert die Selbsthilfe der Opfer und ihrer Angehörigen. Erst mit der Wiedereröffnung des Flughafens von Yogyakarta wird jetzt Hilfe im größeren Umfang möglich. Es mangelt vor allem an Zelten und Trinkwasser

Wer nur einen Nasenbeinbruch hat, wird auf später vertröstet

VON CHRISTINA SCHOTT (YOGYAKARTA), SVEN HANSEN

Nächtlicher Regen und nur schleppend anlaufende Hilfe aus dem In- und Ausland haben gestern die Situation der Überlebenden des schweren Erdbebens bei der zentralindonesischen Stadt Yogyakarta erschwert. Die Behörden korrigierten die Zahl der Todesopfer weiter nach oben auf zuletzt über 5.100. Bis zu 20.000 Menschen wurden bei dem Beben vom Samstag der Stärke 6,3 auf der Richterskala verletzt, bis zu 200.000 obdachlos. Die Zahl der zerstörten Gebäude wird auf 35.000 geschätzt.

Gestern wurden noch weitere Verletzte aus Trümmern geborgen und in die überfüllten Krankenhäuser gebracht. Im Muhammadiyah-Krankenhaus in der besonders schwer betroffenen Kleinstadt Bantul, das normalerweise 130 Betten hat, warteten über 600 Verletzte auf Hilfe. Viele lagen auf feuchten Matratzen auf dem Parkplatz unter Planen. Aus Angst vor Nachbeben trauten sich viele Menschen nicht in Gebäude und verbrachten auch gestern die Nacht im Freien.

In Yogyakartas Dr.-Sardjito-Krankenhaus lagen die Verletzten überall auf den Gängen. Doch immerhin konnte gestern damit begonnen werden, erste Patienten in andere Städte zu verlegen. Doch wer wie der Künstler Arya, der von Freunden aus seinem zusammengestürzten Haus gerettet werden konnte, „nur“ einen Nasenbeinbruch und äußere Blessuren davongetragen hatte, wurde von den Krankenhäusern abgewiesen und auf später vertröstet. Während Arya zunächst bei Freunden unterkam, ist die Kunsthochschule inzwischen zu einer Notunterkunft für Obdachlose geworden.

Noch gestern waren die Überlebenden vor allem auf Selbst- und Nachbarschaftshilfe angewiesen. Aus ganz Java kamen Menschen in Privatfahrzeugen in die Umgebung der historischen Sultanstadt gefahren, um sich auf die Suche nach Angehörigen zu machen und diesen zu helfen. Die Menschen bargen aus den Trümmern ihre noch benutzbaren Habseligkeiten. Im wenig betroffenen Norden und Zentrum der etwa 600.000 Einwohner zählenden Stadt Yogyakarta hatten gestern bereits wieder viele Läden geöffnet, was die Versorgungslage etwas entspannte. Auch schien die Benzinknappheit abzunehmen.

Doch in einigen betroffenen Gebieten war bis gestern überhaupt noch keinerlei Hilfe gelangt. Die von der Regierung geschickte Armee will sich zunächst auf die Bergung von Überlebenden konzentrieren.

Nach Angaben von Behördenvertretern mangelt es jetzt vor allem an Zelten und Trinkwasser. Für die zahlreichen Obdachlosen würden mindestens 5.000 Zelte benötigt, sagte Bambang Susanto Priyohadi von Provinzregierung in Yogyakarta gestern gegenüber Reuters. „Gegenwärtig haben wir weniger als 100.“ Inzwischen konnte wenigstens Yogyakartas Flughafen wieder in Betrieb genommen werden, der wegen Rissen in der Landebahn gesperrt worden war.

Bereits am Sonntag hatte die Regierung für die betroffenen Gebiete für drei Monate den Notstand ausgerufen. Während dieser Zeit werde den Betroffenen mit Lebensmitteln, Medikamenten und Unterkünften geholfen, versprach Vizepräsident Jussuf Kalla. Der Wiederaufbau, dessen Kosten er mit 107 Millionen Dollar bezifferte, sollte innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Präsident Susilo Bambang Yudhoyono versucht derweil von vor Ort die Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. „Ich habe in vielen Gebieten gesehen, dass es viele Dinge gibt, die beschleunigt werden müssen“, sagte er laut AP.

Das Erdbeben hat nach Ansicht von Vulkanologen die Aktivitäten des Vulkans Merapi verstärkt. Der 2.911 Meter hohe Vulkan rund 30 Kilometer nördlich von Yogyakarta steht seit Wochen kurz von einem Ausbruch. Ob das Erdbeben wiederum auf die Vulkanaktivität zurückgeht, ist bisher nicht klar. Vorsorglich waren bereits zehntausende Menschen an den Hängen des Merapi evakuiert worden. Die für sie errichtete Hilfsinfrastruktur soll jetzt auch für Bebenopfer genutzt werden. Auch wird zum Teil Hilfsmaterial, das für die Opfer des Tsunami vom Dezember 2004 in der nordwestlichen Provinz Aceh gedacht war, jetzt in die Erdbebenregion umgeleitet. So will das Deutsche Rote Kreuz eine Wasseraufbereitungsanlage aus Aceh schicken.