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Archiv-Artikel

Das Böse liegt hinter den Hügeln

Christiansens Biolandhof liegt nur acht Kilometer vom Genmais-Versuchsfeld Schuby entfernt. Bäuerin Barbara Rudolf fürchtet um den Verlust des Bio-Siegels und die Existenz ihres Hofes, wenn die manipulierten Samen wandern

Mais kann in Biogasanlagen verwertet werden. Das Böse wäre das Gute: Energie vom Acker

Das Böse liegt hinter den Hügeln, jenseits der Terrasse, auf der sich eine kleine graue Katze putzt, jenseits der Felder, die sich langsam grün färben. „Etwa acht Kilometer“, meint Barbara Rudolf. „Ich glaube natürlich nicht, dass der Mais es bis hierher schafft. Aber trotzdem.“

Es geht ums Prinzip, aber nicht nur. Für Barbara Rudolf, Landwirtin auf einem eingetragenen Bioland-Hof, geht es auch konkret um das wirtschaftliche Überleben des Betriebes und seiner Mitarbeiter. Das Böse jenseits des Hügels, acht Kilometer von „Christiansens Biolandhof“ entfernt, ist ein Versuchsfeld der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Dort, in Schuby bei Schleswig und auf einem zweiten Feld in Blekendorf im Kreis Plön, wächst seit einigen Wochen Mais von ganz besonderer Art: Die Pflanzen sind gentechnisch verändert, sie sind immun gegen den „Maiszünsler“, einen Schmetterling, dessen Raupen sich durch die Maispflanzen fressen.

Es gibt keine Maiszünsler in Schleswig-Holstein, und selbst wenn es welche gäbe, darf der Kampf gegen sie nicht mit Gentechnik geführt werden. Das sagt nicht nur Barbara Rudolf, das sagt auch der Bioland-Verband, und das sagen so gut wie alle Verbraucher in Deutschland – bei jeder Umfrage sprechen sie sich gegen die so genannte grüne Gentechnik aus.

„Es sind ja nicht die paar Quadratmeter hier und die paar in Blekendorf“, sagt Rudolf. „Das Problem ist, dass die Landwirtschaftskammer das Zeug nach Schleswig-Holstein bringt. Dass der Weg gebahnt wird.“ Denn an den Experimenten sind viele Bauern interessiert. Nicht, dass sie Mensch oder Tier mit genveränderten Früchten füttern wollen. Aber Mais kann in Biogasanlagen verwertet werden, aus Raps lassen sich Treibstoffe gewinnen. Das Böse wäre das Gute: Energie vom Acker, nachwachsender Rohstoff.

Die Frage lautet nur: Bleiben die veränderten Gene in den Pflanzen, in die sie eingesetzt werden, oder wandern sie in einer Kettenreaktion von Feld zu Feld, von Pflanze zu Tier, von Tier zum Menschen? Selbst der Fachmann der Landwirtschaftskammer, Dr. Jürgen Zander, warnt – im Fall von Raps – vor der Vermischung mit Wildpflanzen und vor den Spuren künstlich erzeugter Pflanzen im Honig. Darum lautet auch der Rat der Kammer: „Wir raten momentan wegen des hohen Haftungsrisikos vom Anbau genveränderter Pflanzen ab.“

„Aber sie selbst machen es“, ärgert sich Carola Ketelhodt, Geschäftsführerin des Bioland-Landesverbandes. Die Öko-Bauern sind wütend auf die Kammer: „Wir sind Zwangsmitglieder, wir zahlen Beiträge, und sie machen Versuche, die uns schaden“, sagt Barbara Rudolf. Denn schon eine winzige Spur veränderten Erbgutes führt dazu, dass ein Produkt sein Bio-Siegel verliert.

Die Kammer verteidigt ihre Versuche: „Unsere Aufgabe ist es, die Chancen und die Risiken abzuschätzen.“ Es könne durchaus sein, sagt Kammer-Sprecher Manfred Christiansen, dass die jetzt getesteten Maissorten als unbrauchbar aussortiert werden. Die Versuche seien absolut ungefährlich: „Die Pflanzen sind sozusagen kastriert. Sie können sich nicht aussäen.“

Barbara Rudolf hält es für bedenklich, dass die Pflanzenreste nicht vernichtet, sondern untergepflügt werden sollen: Das genveränderte Material bleibt somit im Boden. Ein weiterer Vorwurf ist, dass die Firma Monsanto, einer der weltweit größten Hersteller von genverändertem Saatgut, die Versuche bezahle. Kammersprecher Christiansen bestreitet das nicht: „Alle Firmen vergeben solche Prüfaufträge“, und dafür müssten sie natürlich bezahlen. Die Summe bewege sich „im dreistelligen Bereich“, damit ließe sich kein Kammer-Fachmann kaufen und kein gewünschtes Resultat erzwingen.

Und Mais, erinnert Christiansen, gehöre ja eigentlich sowieso nicht auf schleswig-holsteinische Äcker. In langen Jahren seien kälteresistente Sorten gezüchtet worden: „Das ist auch ein Eingriff.“

In diesem Punkt könnte Öko-Bäuerin Barbara Rudolf sicher Beifall klatschen: Auf ihrem Hof, den sie gemeinsam mit Hans-Peter Christiansen führt, wächst nur Gemüse, das von Natur aus in Schleswig-Holstein gedeiht.

Esther Geißlinger