: berliner szenen Das Alphabet der Stadt
Q: Quartier Pulvermühle
„Gibt's doch gar nicht.“ – „Doch, gibt es. Brauchst nur aufn Stadtplan zu schauen.“ – „Und wie findet man dahin?“ – „Mit der S-Bahn nach Jungfernheide, dann mit der U-Bahn nach Haselhorst. Auf der Strecke gibt es diese irren 70er-Jahre-Haltestellen, die mit den psychedelischen Kacheln.“ – „Und dann?“ – „Läufst du die Daumstraße hoch, links in den Telegraphenweg und dann in den Goldbeckweg.“ – „Gibt’s da überall diese lustigen Namen?“ – „Im Quartier heißt alles nach Frauen. Zum Beispiel die Lilli-Palmer-Promenade. Sehr schön.“
„Und was ist da so, im Quartier Pulvermühle?“ – „Erst mal sieht alles wie in so alten österreichischen Kasernenstädten aus. Nur eben ganz neu.“ – „Hä?“ – „Na, alles quadratisch! Klobige postmoderne Mietskästen in rotem Backstein. Da wohnen Leute. Außenrum gibt es jede Menge Schulen mit Sportplätzen und Gitterzäunen, die in so einem Hertha-BSC-Blau gehalten sind.“ – „Aha.“ – „Sieht irgendwie alles nach Wohnen in Ferien aus. So gut wie kein Verkehr. Man hört nur Kinderstimmen. Kleine Bächlein fließen durch die Anlage. Stichkanäle. Weiße Brücken. Viel Grün. Und der Spandauer See.“
„Kann man da schwimmen?“ – „Empfehlen würde ich’s nicht. Schon recht brackig das Wasser. Aber es gibt einen Wassersportklub. Nennt sich ‚Grün-Silber-Orange‘.“ – „Und was noch?“ – „Markierte Enten. Die haben so Fußringe mit Nummern drauf. Ich hab neben Nr. P 75 gesessen. War nett.“ – „Aber ’ne Pulvermühle hast du nicht gesehen.“ – „Nee, das heißt nur noch so. War mal eine große Anlage.“ – „Meinst du, man könnte dahin ziehen?“ – „Abends ist da tote Hose. Ich hab nur ein Lokal gesehen. Mit angeschlossenem Imbiss.“ – „Reden und essen ist doch ’ne gute Kombi.“ – „Ja, Hunger habe ich auch schon wieder.“ RENÉ HAMANN