Ein gut aufgelegtes Orgeltrio, funky, flott, hypnotisch

KONZERT Das Wunder der äthiopischen Musik – in den siebziger Jahren war Hailu Mergia neben Mulatu Astatke einer der Stars des Ethio-Jazz, am Montag gastierte er im rappelvollen Monarch

Plötzlich war man ein ganzes Stückchen weg vom nur lässigen Fingerschnippen

Das Schöne an den Filmen von Jim Jarmusch ist immer auch die Musik, auf die der Regisseur, selbst praktizierender Musiker und schlicht Musikfan, immer ein besonderes Augenmerk legt: das leitmotivische „I Put A Spell On You“ von Sreamin’ Jay Hawkins in „Stranger than Paradise“, die insistierende und delirierende Gitarre Neil Youngs in „Dead Man“ und diese geheimnisvolle und ganz lässig vor sich hin spielende, erregende Musik in „Broken Flowers“. Mulatu Astatke hat sie gemacht. Und mit dem Film konnte man endlich überall wissen, was es da mal für ein Wunder an Musik in Äthiopien gegeben hat.

Passiert ist das unter dem Stichwort „Ethio-Jazz“ gefasste Wunder in den siebziger Jahren mit einer Musik, in der Duke Ellington genauso zu Hause war wie die Musik aus Astatkes äthiopischer Heimat und dazu noch das Drängen der Jazzrocker vor dem Fusion-Blödsinn. Vor kurzem hat Detlef Diederichsen hier in der taz noch einmal von diesem Wunder erzählt. Und wenn Astatke in seiner Bedeutung in etwa der John Lennon und Paul McCartney der äthiopischen Musik ist, dann muss Hailu Mergia doch mindestens Ringo Starr sein – als einstiges Mitglied der Walias Band, die mit Astatke in den Siebzigern im Epizentrum dieser erregenden äthiopischen Musik stand. Den aktuellen Wiederveröffentlichungen der alten Ethio-Jazz-Platten ist nun auch zu danken, dass Mergia wieder live auf der Bühne steht.

Derzeit ist der Mann erstmals überhaupt in den Clubs in Europa unterwegs, am Montag gastierte er im Monarch. Für einen Ringo Starr also eine recht knapp bemessene Bühne. Es war rappelvoll, längst nicht alle, die wollten, kamen rein. Erwartungsfrohe Stimmung nicht nur bei der äthiopischen Diaspora. Ohne weiteres Brimborium ging es los – und das hörte sich zuerst nach einem eher harmlosen Lounge-Jazz an von einem gut aufgelegten Orgeltrio, das sich dann mit den hypnotischen Melodien von Hailu Mergia an den Keyboards in die Nähe der Trance schummelte. Plötzlich war man ein ganzes Stückchen weg vom nur lässigen Fingerschnippen.

Begleitet wurde Mergia von den in Berlin lebenden australischen Musikern Tony Buck am Schlagzeug und Mike Majkowski am Bass, auch gewiefte Improvisatoren, die hier aber im Wesentlichen nicht mehr machten als das, was gute Sidemen machen sollen: zuverlässig stützen und sichern, was da Mergia in seinen lang ausgespielten Exkursionen an Melodiebögen – einmal auch am Akkordeon – einfiel.

Eine Musik, so kühl und untergründig wie Cool Jazz. Und so dringlich wie Bebop.

Und manchmal eben auch wieder einfach nur mit dem flotten Swing eines Orgeltrios. Lässig, fingerschnippend, durchaus funky. Ein mit Soul und lichten Melodien gefütterter Unterhaltungsjazz.

Alles dabei. Die dunklen hypnotischen Stimmungen des Ethio-Jazz. Die ins Helle gespielte Barmusik. Alles immer mindestens ein großer Spaß. Und nicht zu vergessen das kleine Wunder, dass man Hailu Mergia überhaupt wieder auf einer Bühne erleben darf. THOMAS MAUCH