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Archiv-Artikel

Weniger Spaß mit Diesel

Bundeskabinett ermöglicht Fahrbeschränkungen für schmutzige Diesel-Autos. Fahrzeuge bekommen Plaketten. Ökologen kritisieren Verzögerung

von BEATE WILLMS

Es hätte eine gute Meldung für die feinstaubgeplagten Verbraucher sein können: Künftig ist an jedem Auto auf den ersten Blick zu erkennen, wie viel Abgase es in die Luft bläst. Gestern verabschiedete das Kabinett die „Verordnung zur Kennzeichnung emissionsarmer Kraffahrzeuge“, kurz „Plakettenverordnung“. Nur: Bis die bunten Schildchen tatsächlich auf den Autos kleben, dürfte es Februar 2007 werden. Und: Die ab Mitte 2008 geltende Euro-5-Norm, die die Zahl der gefährlichen Dieselrußpartikel weiter eingrenzt und nur mit einem Filter zu erreichen ist, wird nicht extra ausgewiesen.

Die Idee ist, Pkws, Lkws und Busse künftig in 4 Schadstoffklassen zu sortieren, die mit farbigen Plaketten gekennzeichnet werden. Ein Diesel-Pkw mit Euro 2, der sehr viel Kohlenmonoxid, Stickoxid und Partikel ausstößt, bekommt danach eine rote Plakette, einer mit Euro 3 eine gelbe, grün gibt es für Euro 4 und 5.

Die Verordnung soll allerdings zunächst der Europäischen Union vorgelegt werden, heißt es im Bundesumweltministerium. Das kann drei Monate dauern und ist nach Einschätzung von Umweltverbänden überflüssig. „Rechtlich ist das nicht nötig“, sagt Werner Reh, Feinstaubexperte beim BUND, und verweist auf das ebenfalls nicht notifizierte ähnliche Modell in Italien. „Ich halte den Umweg über Brüssel für eine Verschleppungstaktik.“ Tatsächlich ist auch noch eine weitere Frist eingeplant: In Kraft treten soll die Verordnung erst, fünf Monate nachdem sie veröffentlicht ist – und das geht erst nach der Notifizierung.

„Damit hätten wir fast noch ein Jahr bei der Bekämpfung der Feinstaubbelastung verloren“, sagt Reh. Ohne die Kennzeichnung könnten Kommunen und Gemeinden keine Umweltzonen einrichten. Nach der EU-Feinstaubrichtlinie, die seit dem vergangenen Jahr gültig ist, darf die Luft nur an 35 Tagen im Jahr mehr als 50 Mikrogramm Partikel pro Kubikmeter aufweisen. In diesem Jahr haben bundesweit bereits 27 Messstellen dieses Limit überschritten. Wesentlicher Bestandteil von Feinstaub sind Dieselrußpartikel. Wie effektiv Fahrverbote deshalb sind, zeige eine Modelluntersuchung in Essen, sagt Reh. In einer ausschließlich Euro-4-Fahrzeugen vorbehaltenen Zone seien die Tagesmittelwerte um 18 Mikrogramm niedriger ausgefallen als bei ungeregeltem Verkehr.

Nach aktuellen Untersuchungen des Municipal Institut of Medical Research in Barcelona ist Feinstaub noch gesundheitsschädlicher als bislang gedacht. Er könne nicht nur die Lunge, sondern praktisch den ganzen Körper beeinträchtigen, schreibt Experte Nino Künzli. Reaktionen des Immunsystems könnten dazu führen, dass sich Gefäßwände entzünden, auch Veränderungen des Blutbilds würden derzeit erforscht.

Erst in der vergangenen Woche hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als erstes Obergericht den Freistaat dazu verpflichtet, mehr Maßnahmen gegen Feinstaub zu ergreifen. Die Landshuter Allee in München ist bundesweit Spitzenreiter bei den gemeldeten Feinstaubbelastungen. Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres war die Partikelkonzentration hier schon an 56 Tagen höher, als der EU-Grenzwert erlaubt.