schurians runde welten : Videosex mit Karl-Heinz Förster
“Wir tun was für die Attraktivität des Fußballs.“ (Jens Lehmann)
Gibt es die eine Schönheit im Fußball? Oder doch mehrere? Ausgerechnet der prominenteste Teilnehmer der Weltmeisterschaft gibt uns ein Rätsel auf: Vor der Turniervorbereitung machte Ronaldinho uns ein verwirrendes Kompliment: „Die Deutschen spielen einen Fußball, der sehr schön anzusehen ist“, sagte der Brasilianer zur Deutschen Presseagentur – er stehe auf Flanken und hohe Bälle. Und dann zeigte er sein Lächeln, seine großen Zähne, was aber nichts heißen muss, denn Ronaldinho würde genauso breit grinsen, wenn er gerade den entscheidenden Elfmeter im Weltmeisterschaftsfinale versiebt hätte. Wollte R. den deutschen Fußball also nur hoch nehmen, der sich in den Klinsmann-Jahren alle Mühe gegeben hat, weniger hohe Bälle auf seine Kopfballungeheuer zu schlagen? Nein, die Sache ist viel pikanter.
Das Schönheit relativ ist, wissen wir aus dem Nachtprogramm im Deutschen Sportfernsehen. Es gibt schließlich auch Leute, die „tabulose Geschlechtspartner über 66“ suchen, die Urinierende oder Übergewichtige so attraktiv finden, dass sie mit ihnen mitten in der Nacht für viel Geld telefonieren wollen. Und Ronaldinhos seltsamer Fetisch gilt nicht nackten Klavierlehrerinnen, sondern dem klassischen deutschen Offensivfußball.
In der sehr privaten DVD-Sammlung des brasilianischen Nationalspielers befinden sich deshalb vor allem die deutschen Spiele der Weltmeisterschaften von 1982 und 1986. Nach einem schweren Tag im Trainingslager holt der Superstar dann seinen Player raus und entspannt zu Kopfstößen von Horst Hrubesch oder Uwe Reinders, den wuchtigen Flanken von Manfred Kaltz und Hans-Peter Briegel. Und wenn Ronaldinho mal was Verrücktes machen will, dann hält er den Kameraschwenk über die BR Deutschlandelf an bei Karl-Heinz und Bernd Förster – das Standbild lässt ihn wohlig schaudern.
Schon während der Schulzeit gingen die ästhetischen Konzepte von Mitbürgern weit auseinander. In meiner Heimatstadt waren damals noch US-amerikanische Soldaten stationiert, die am Wochenende ihre Muskelmasse beim Footballspiel in städtischen Parks vorführten. Und wem galt ihr beeindruckendes Gepose? Den albinohäutigsten, schnippischsten, molligsten Kettenraucherinnen aus der Parallelklasse, die ihre Jugend mit nichts als Fingernagelpflege und Blondieren zubrachten.
Ein weiteres Fetisch-Opfer höre ich in diesen fußballfiebrigen Tagen jeden Nachmittag am Düsseldorfer Hauptbahnhof: Tag für Tag macht dort der Gleissprecher die folgende Ansage: „Der NRW-Express fährt weiter über Duisburg, Mülheim, Essen, Wattenscheid 09 ...“ Ronaldinho ist also keineswegs allein mit seiner abseitigen Obession.CHRISTOPH SCHURIAN