: Abstrakte Gefährdung auf hohem Niveau
Heute trifft die Fußballnationalmannschaft der USA in ihrem Hamburger WM-Quartier ein. Teile der Innenstadt und das Trainingsgelände im schleswig-holsteinischen Norderstedt werden deshalb in eine Polizeifestung verwandelt
Von MARCO CARINI
„Nein“, erklärt Peter Born, es gebe „keine konkrete Anschlagsdrohung“. Doch dann murmelt der Leiter des Führungs- und Lagedienstes der Hamburger Polizei etwas von einer „abstrakten Gefährdung auf hohem Niveau“, die ihn zwinge, „höchste Schutzmaßnahmen anzuordnen“ für die US-Fußballnationalmannschaft. Ab heute, dem Ankunftstag des Teams in Hamburg, herrscht für die Sicherheitsbehörden an der Elbe Alarmstufe 1. Und nicht nur für sie. Auch im schleswig-holsteinischen Norderstedt, kurz vor den Toren der Stadt, wo das Team trainiert, herrscht Ausnahmezustand.
Der Wunsch der amerikanischen Delegation, mindestens drei Wochen lang mitten in Hamburg in einem Hotel zu logieren, stellt die WM-Sicherheitsplaner vor große Probleme. Fest steht: Teile der City werden über Wochen zu einer Polizeifestung.
Das Konzept sieht vor, dass eine Hundertschaft der Polizei rund um das Hyatt-Hotel in ständiger Bereitschaft steht und einen Sicherheitskorridor rund um das Gebäude errichtet. Die Bugenhagenstraße, an der der Hintereingang des Hotels liegt, wird durch Schranken komplett abgeriegelt und für den Publikumsverkehr gesperrt. Wer ein Zimmer buchen will, muss eine strenge Sicherheitsprüfung passieren.
Ob auch die nah gelegene Mönckebergstraße gesperrt wird, will man je nach Lagebild entscheiden. Absperrgitter jedenfalls stehen bereit, rund um die Uhr werden Beamte in der Einkaufsstraße präsent sein. Im Hintergrund stehen Spezialeinheiten bereit. Normalerweise aber soll es „zu keinen Beeinträchtigungen von Passanten kommen, die hier ihre Einkäufe tätigen“, verspricht Polizeisprecher Rolf Meyer. Ob auch die Gulli-Deckel in den Straßen rund um das Hotel verschweißt wurden, dazu mag Meyer nicht Stellung nehmen: Über verdeckte Sicherheitsmaßnahmen gibt er „keine Auskunft“.
In der noblen Herberge selbst wird das private Sicherheitsunternehmen „Securitas“ für die Sicherheit der US-Boys verantwortlich sein. Das Unternehmen wird dabei von eigens eingeflogenen Experten des Teams unterstützt. Bei Ausflügen in die Hamburger Innenstadt werden die Mitglieder des Teams von einer Schar von Bodyguards begleitet werden. Auch für das Marriott-Hotel, ebenfalls in der Innenstadt gelegen, sind umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen geplant. Hier steigen zahlreiche Funktionäre des Teams ab.
Nicht weniger Aufwand wird in Norderstedt getrieben, wo die Mannschaft trainiert. Der Spielertross, begleitet von einer Polizeieskorte, wird fast täglich zwischen City und Trainingsgelände pendeln. Die wechselnden Routen und Fahrzeiten unterliegen strikter Geheimhaltung.
Ein mehrere Meter hoher Sicherheitszaun rund um das Trainingsgelände schirmt die Spieler vollständig vor neugierigen Blicken ab, nahe gelegene Parkplätze bleiben auch für die Anwohner gesperrt, Überwachungskameras haben die Umgebung im Blick. Gut 120 Sicherheitsbeamte sind im Einsatz. Neben Beamten der Polizei und des Landeskriminalamtes bewachen eine Hundestaffel, ein US-Sicherheitsdienst und FBI-Mitarbeiter die Rasenplätze, die sonst der Hamburger Sportverein nutzt.
Die Fans bleiben weitgehend ausgesperrt – einzig am 6. Juli wird ein öffentliches Training abgehalten. Selbst das Testspiel gegen das Nationalteam von Angola am Pfingstmontag im Stadion der Norderstedter Eintracht findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
„Das normale Leben in unserer Stadt wird auch während der WM weiterlaufen“, bemüht sich Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote die Maßnahmen herunterzuspielen. Im Ausnahmefall müssen Anwohner allerdings damit rechnen, ihr Haus nicht ohne Ausweiskontrolle betreten zu können, beim Grillfest plötzlich Polizeibesuch zu erhalten oder ihre Mülltonne durchwühlt vorzufinden. Für solche Aktionen, verspricht Lagedienstleiter Born, „können Gefährdungslagen eintreten“.
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