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Archiv-Artikel

Präsident und Premier ringen um Kommando

Osttimors Premier Alkatiri will Präsident Gusmão nicht nachgeben und beharrt auf Kommando über Sicherheitskräfte

BERLIN taz ■ Osttimor kommt trotz der Anwesenheit von über 2.000 internationalen Interventionskräften nicht zur Ruhe. In der Hauptstadt Dili tobt ein offener Machtkampf zwischen Präsident Xanana Gusmão und Premierminister Mari Alkatiri. Gusmão hatte am Dienstag verkündet, er übernehme für 30 Tage das Kommando über Militär und Polizei. Die Spaltung der sich bekämpfenden Sicherheitskräfte hatte vergangene Woche das Land in Chaos und Gewalt gestürzt und zu einem Machtvakuum geführt, das jetzt rivalisierende Banden ausfüllen.

Der populäre Gusmão genießt in beiden Fraktionen der Sicherheitskräfte Respekt, während der arrogante Alkatiri offen Partei ergriff und nach Meinung vieler für die Krise verantwortlich ist. Er entließ nicht nur streikende Soldaten, sondern ließ auch auf sie schießen. Jetzt weigert sich Alkatiri nicht nur zurückzutreten, sondern auch dem bisher eher zeremoniellen Präsidenten das Oberkommando abzutreten. Zugleich droht er, 100.000 Unterstützer zu mobilisieren. Seiner Meinung nach führten er und Gusmão jetzt gemeinsam Armee und Polizei.

Die Rücktritte des Verteidigungs- und Innenministers konnten die Lage bisher nicht beruhigen, weil dies nur als Bauernopfer Alkatiris gilt, um im Amt zu bleiben. „Das ist keine Lösung. Alkatiri ist ein Krimineller, und ihm sollte nicht erlaubt werden, Premier zu bleiben,“ sagte gestern der Führer der rebellierenden Soldaten, Major Alfredo Reinado von seiner Bergbasis bei Dili gegenüber AFP. Laut Reinado könnte nur der Rücktritt Alkatiris die Unruhen beenden.

Doch Alkatiri ist zugleich auch mächtiger Generalsekretär der Fretilin, der mit Abstand größten Partei des Landes. Während der Zeit der indonesischen Besatzung war er im Exil in Mosambik, von dessen damals sozialistischer Regierung er nach Meinung vieler offenbar den intoleranten Führungsstil übernahm. „Er ist unbeliebt, weil er keine Opposition zulässt, sondern sie regelmäßig verbal vernichtet und wie auch jetzt mit Schlägerbanden droht“, sagt die Osttimorexpertin der Berliner Organisation Watch Indonesia, Monika Schlicher.

In Dili wurde gestern bei Kämpfen wieder ein Mensch getötet. Ein Markt und mehrere Autos wurden angezündet. Bisher fielen 28 Menschen den Unruhen zum Opfer, 100.000 sind auf der Flucht. SVEN HANSEN