: Schluss mit Lächeln
OPPOSITION Neuwahlen? Anders als in Hessen fordert die in Niedersachsen niemand. Aber für SPD, Linke und Grüne ist das Entschwinden von Ministerpräsident Christian Wulff Anlass für Hoffnung
VON BENNO SCHIRRMEISTER
Über David McAllister freut sich Niedersachsens Opposition. Nein, es gibt natürlich keinen Zweifel daran, dass er’s packt, also: dass er zerbrechen könnte an der Bürde des Amtes, das er mit zarten 39 Jahren antritt, „nein“, sagt der neue SPD-Chef Olaf Lies, „wer sieben Jahre die CDU-Fraktion leitet, dem kann man das zutrauen“. Und die inhaltliche Nähe ist auch nicht gewachsen.
Aber eigentlich ist das ja der Grund. Denn Christian Wulffs Programm hieß zuletzt nur noch Christian Wulff. Und Christian Wulff fand große Zustimmung in der Bevölkerung. David McAllister hingegen ist noch nicht einmal halb so bekannt – und längst nicht so beliebt wie der schwindende Landesvater. „Sich mit einem Schwiegersohn-Lächeln hinstellen, das wird bei ihm nicht reichen“, analysierte auch Linksfraktions-Vorsitzende Tina Flauger. „Er müsste schon mit ein paar Ideen und neuen Konzepten auf sich aufmerksam machen“, um bei den WählerInnen zu punkten. „Und damit hat er bisher nicht sonderlich geglänzt“.
Doch, es ist zwar vielleicht kein guter Tag fürs Land, aber doch auch kein schlechter für die Opposition, die Stimmung überwiegt: „Ich bin mir sicher, dass mit diesem Wechsel das Ende von schwarz-gelb eingeläutet wird“, sagt Stefan Wenzel, Chef der Grünenfraktion. „Nicht nur mit der Wirtschaftkrise erleben die gerade den Bankrott ihres neoliberalen Wertesystems – und suchen nicht einmal mehr ernsthaft nach Lösungen“. Wo McAllister künftig Akzente setzen wolle, sei „kaum erkennbar gewesen“, seit er 2008 den CDU-Vorsitz übernommen hatte. „Aber mit einem ständigen Weiter-So wird er nicht erfolgreich sein.“ Die Unzufriedenheit mit der Bildungspolitik wächst, und groß ist der Zorn gegen die von Wulff propagierte Aufkündigung des Atom-Konsens. „Die hat McAllister ja mitgetragen“, so Wenzel, „dafür steht auch er.“
Auch die SPD hofft laut Lies, „die Union jetzt besser in den Themen stellen“ zu können. Er erwartet einen „deutlich konservativeren Kurs“ vom Nachfolger Wulffs. Und tatsächlich beerbt McAllister ja nicht nur den, sondern auch Roland Koch: Der Hardliner war 1999 zum jüngsten Ministerpräsidenten aller Zeiten avanciert. Bislang hielt der Rekord.
McAllister jedoch ist noch zwei Jahre jünger, und in seinem Linken-Hass trifft er sich wohl eher mit Koch und Schünemann, als mit Wulff: „Zukunft statt Sozialismus“ nennt der gelernte Rechtsanwalt und Bürgermeister von Bad Bederkesa seinen „Leitsatz“.
In Hessen wurden Neuwahlen gefordert, kaum hatte Koch seinen Abgang versprochen. In Niedersachsen ist davon nicht die Rede, und das hat Gründe. Einerseits hatte Wulff schon länger als amtsmüde gegolten, und dass McAllister ihm folgen würde war ein offenes Geheimnis. Andererseits: „Da reicht es doch“, so Olaf Lies, „sich die Mehrheitsverhältnisse im Landtag anzuschauen“: Komfortabel sind die für schwarz-gelb und McAllister ist mit den Liberalen deutlich enger verbandelt, als Wulff es je war. Die Forderung wäre chancenlos.
Aber auch der Opposition kommt das so ungelegen nicht. Denn noch ist sie im Begriff, ihr eigenes Personal-Tableau zuordnen. Nur klein waren die Veränderungen bei Bündnis90/Die Grünen. Ganz frisch im Amt des SPD-Vorsitzenden ist hingegen Lies, Stefan Schostok soll sogar erst übernächste Woche zum Fraktions-Vorsitzenden aufrücken – und immer wieder war betont worden: Nein, die Mitgliederbefragung zum Partei-Chef ist keine Vorentscheidung für den Spitzenkandidaten. Denn daran soll auch Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil Interesse haben. Noch völlig offen ist die Zukunft bei Die Linke. Deren Partei-Chef Dieter Dehm erst Ende Mai „eine Auszeit“ angekündigt. Er hat empfohlen, im November Manfred Sohn zu seinem Nachfolger zu machen. Die Partei hat’s vernommen. Aber viel heißt das noch nicht.