: Volkswagen bietet Geld gegen Job
Strategiewechsel bei VW: Abbau von Stellen statt Sicherung von Arbeitsplätzen. Betriebsrat wehrt sich nicht
HANNOVER taz ■ Mit einem Brief an 85.000 Mitarbeiter der sechs westdeutschen VW-Werke ist gestern bei Europas größtem Autobauer die Ära der Sicherung inländischer Arbeitsplätze zu Ende gegangen. Allen Tarifmitarbeitern der VW-Werke Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Emden und Hannover, die ab dem Jahr 1952 geboren sind, bot die Firma gestern hohe Abfindungen für ein freiwilliges Ausscheiden an.
Erstmals nach der Einführung der 28,8-Stunden-Woche im Jahr 1993 beginnt in den sechs Werken damit ein erheblicher Personalabbau. Für die Werke gilt seit Ende 2004 ein mit Lohnzurückhaltung erkaufter ein Zukunftstarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen verbietet und eigentlich in den Produktionsstätten 103.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze garantiert.
Die von VW angebotenen Abfindungen sind nach der Dauer der Zugehörigkeit zum Betrieb gestaffelt. Für schnelles Ausscheiden soll es hohe Zuschläge geben. Altgediente VW-Werker können maximal 249.480 Euro brutto erhalten, wenn sie bereit sind, bis zum 30. September den Arbeitskittel an den Nagel zu hängen. Die minimale Abfindung liegt bei 40.680.
Die Personalchefs von Volkswagen Deutschland und Volkswagen Nutzfahrzeuge, Klaus Dierkes und Jochen Schumm, begründeten den Arbeitsplatzabbau mit der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. „Neben allen anderen Anstrengungen bedeutet das eben auch, Personal abzubauen“, erklärten sie. VW-Chef Bernd Pischetsrieder hatte im April Restrukturierungsmaßnahmen angekündigt, von denen in den westdeutschen Werken bis zu 20.000 Arbeitsplätze betroffen sein könnten. Wie viel Beschäftigte Volkswagen über die Abfindungen loswerden will, sagt das Unternehmen bislang nicht. Die Zahl der Arbeitsplätze in den westdeutschen VW-Werken bewegt sich dank der radikalen Arbeitszeitverkürzung seit mehr als einem Jahrzehnt auf gleichen Niveau. 104.000 Beschäftigten zählten die sechs Werke, als dort Ende 1993 unter dem Schlagwort „VW-Vier-Tage-Woche“ die Arbeitszeit bei fast entsprechendem Lohnverzicht um 20 Prozent gesenkt wurde. Der Zukunftstarifvertrag lässt die Reduzierung der 103.000 Jobs nur „durch zwischen den Betriebsparteien vereinbarte Personalstrukturierungsmaßnahmen“ zu. Der VW-Betriebsrat hat die Abfindungsregelung kritisiert, nimmt sie aber hin. JÜRGEN VOGES