DAS DING, DAS KOMMT
: Müll und Meereswogen

Mit KLEBEBAND arbeitet die Künstlerin Karla Black gern. Zu sehen ist das jetzt in Hannover

Karla Black arbeitet mit Seifen, Nagellack und Lippenstift. So widersetzt sie sich der Girlie-Ästhetik

Ein helles Blau, Rosé, ein lichtes Gelb – das sind Pastelltöne, wie sie die schottische Künstlerin Karla Black favorisiert. Die Farben erinnern an die Farben von Mädchen-Spielzeug. Und auch den großen Installationen, die Black in diesen Farben arrangiert, haftet auf den ersten Blick etwas Überzuckertes an. Aus bunten, transparenten Folien, manchmal mit Glitzerstaub und Konfetti veredelt, werden Girlanden, die wie Wolken durch den Raum ziehen. Oder sie wabern, in stofflich-opaker Variante, vom Fußboden aus durch ihre Ausstellung, oszillierend zwischen Müll, Meereswogen oder Theaterkulissen.

Im Jahr 2011 vertrat die 1972 im schottischen Alexandria geborene Karla Black mit diesem Formenvokabular ihr Heimatland auf der Biennale in Venedig. Sie durchdrang einen Palazzo in Cannaregio mit ihren Foliengebilden. Daneben stellte sie flache bis deutlich erhabene, aufgeschüttete Körper aus dunkler Erde, Kompost, zerbröselter Seife. Archaische Architekturfragmente, auch sie in verschiedenen Rosétönen, platzierte sie zusätzlich als strenge Akzente in diese morbid heiteren Landschaften. Im selben Jahr wurde Black für den international bedeutenden Turner Prize nominiert.

Die Kestner-Gesellschaft in Hannover widmet Karla Black nun eine große Personale. Dort nimmt sie derzeit beide Räume des Obergeschosses unter ihre Fittiche, arbeitet an ihrer ortspezifischen Installation. Hier werden auch neuere Techniken Blacks vertreten sein. So beispielsweise große Felder aus je 600 Streifen Sellotape, dem englischen Konkurrenzprodukt des Tesafilms, die wie Vorhänge den Raum strukturieren. Im Gegensatz zum deutschen Klebeband soll dieser magisch reflektieren und glitzern, also Blacks Liebe fürs dekorative Material besser entsprechen.

Dazu kommen dann noch Wattebäusche, in die Nagellack geknetet wurde und die so zu kleinen Körpern wurden. Und auch ein Globus, eine Erdkugel aus echter Erde, versetzt mit Sägespänen, vielleicht auch wieder Seife und anderem Material ist als mannshohes Objekt in der Fertigung.

Es ist schon viel über die Materialvorlieben Karla Blacks sinniert worden. Neben ihren pastelligen Folien greift Back nämlich auch gerne und tief in die Requisitenkiste typisch weiblicher Produktwelten. Sie verwendet Kosmetika und Toilettenartikel wie Seifen, Nagellack, Lippenstift, Haarspray oder Bräunungscreme, die sie als malerische wie skulpturale Komponenten üppig einsetzt.

Daraus entsteht aber alles anderes als eine Girlie-Ästhetik, trotz der vordergründigen Naivität, die der Kunst Karla Blacks zu eigen ist. Black widersetzt sich vielmehr den Zuordnungen dieser Produkte als Symbole des Weiblichen. Ihr geht es in einem Abstraktionsprozess allein um die physische Handhabung dieser Materialien, die sie ausschließlich auf ihre optische Rezeption reduziert. So wie bei ihren Objekten aus zerknüllten Folien oder den Erdhaufen nicht der Prozess einer mitunter sehr komplizierten Herstellung im Vordergrund stehen soll, sondern einzig das fertige Ergebnis: gefrorene Gesten, die zudem wie von leichter Hand entstanden erscheinen sollen.

Konsequenterweise gab es nun auch kein Foto von Karla Black, wie sie in Hannover Hand anlegt. Die fertige Installation ist dann am Donnerstagabend zur Vernissage zu besichtigen. BETTINA MARIA BROSOWSKY

■ Vernissage: 12. Dezember, 19 Uhr, Hannover, Kestner-Gesellschaft; bis 2. März 2014