: Oma aus Übersee
Als Ex-US-Außenministerin Albright ihr neues Buch bei Dussmann vorstellte, waren außer ihr alle sehr nervös
Wenn Madeleine Albright auftritt, muss es einen politischen Anlass geben, denkt man. Obschon man ja Frau Albright eigentlich vergessen hat, so wie man auch nicht mehr richtig weiß, wofür ihr damaliger Dienstherr Bill Clinton politisch stand. Erst jüngst forderte die ehemalige amerikanische Außenministerin, den Irakeinsatz der US-Truppen zu beenden. Denn es geht ihr immer noch um Menschenrechte, Amerika, die freie Welt. Vorgestern aber war Albright als Unterhändlerin in eigener Sache in Deutschland: Bei Dussmann stellte sie ihr Buch „Der Mächtige und der Allmächtige“ vor, das just erschienen ist.
Im Gespräch mit Doris Jahnsen, der Leiterin ihres deutschen Verlags, gab sich Albright wie gewohnt: Hielt sich auf Distanz zu Präsident Bush, räumte eigene Versäumnisse ein, forderte einen anderen Umgang mit den Palästinensern und schlug einen eigenen Weg im Umgang mit Ahmadinedschad vor – wobei er und Bush ja nicht gleich Brieffreunde werden müssten. So diplomatisch sprach Albright, und die sehr aufgeregte Jahnsen unternahm nicht den Versuch, etwas anderes zu fragen, als das, was Albright in den letzten Monaten schon in unzähligen Interviews beantwortet hatte.
So blieb dem Publikum Zeit, das Spektakel zu verfolgen, das ein solcher Besuch mit sich bringt. Die „KulturBühne am Wasserfall“ im Kulturkaufhaus war kurz nach Beginn der Veranstaltung so überrannt, dass sich zu spät Kommende ihren Platz im ersten Stock suchen mussten. Das machte die eh schon nervösen Bodyguards noch nervöser. Albright hingegen saß in der alles andere als würdigen Dekoration mit aller Würde: Wie immer elegant gekleidet und dezent geschminkt, trug sie eine weiße Perlenkette. Ihr dünnes Haar war mit Haarspray zu einer Haube verhärtet. Sie war also die elegante amerikanische Oma, die man aus dem Fernsehen kennt, diskret, freundlich, korrekt.
Aus der Rolle fiel sie auch nicht, als sich zur Signierstunde eine wirklich lange Schlange bildete, die von den jetzt schon aus Nervosität harsch agierenden Bodyguards widerwillig vorgelassen wurde. Eine klassische Politikerinnenbuchvorstellung also. Es bleibt ein denkwürdiger Satz, den nur eine liberale amerikanische Politikerin sagen kann: „Wir sollten das Individuum stets der Gruppe vorziehen.“ Das Schäfchenverhalten, zu dem Verlag, Buchhandlung und Bodyguards das Publikum zwangen, stand dazu in krassem Gegensatz. JÖRG SUNDERMEIER