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Archiv-Artikel

Sparsame Solidarität

FLÜCHTLINGE Innenminister einigen sich, dass 5.000 weitere Syrer kommen dürfen. Gefordert wurde viel mehr. Hier sind erst 1.300

„Das ist das Ergebnis eines herzlosen Geschachers um Zahlen“

PRO-ASYL-GESCHÄFTSFÜHRER GÜNTER BURKHARDT

VON CHRISTIAN JAKOB

BERLIN taz | Deutschland nimmt weitere 5.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge auf. Das haben die Innenminister auf ihrer Herbsttagung in Osnabrück vereinbart. „Millionen von Menschen sind wegen des Krieges in Syrien auf der Flucht“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius (SPD). „Wir müssen angesichts dieser humanitären Katastrophe Solidarität beweisen.“

Die Solidarität fällt allerdings sparsam aus. Lange wurde um die Zahl der Aufnahmeplätze gerungen. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) hatte sich für 15.000 zusätzliche Plätze ausgesprochen.

Im Mai hatte sich die IMK bereits auf ein erstes Kontingent von 5.000 Plätze geeinigt. Doch das Auswahlverfahren ist extrem langsam. Derzeit sind 4.800 Syrer im Libanon namentlich benannt, die kommen dürfen. Tatsächlich eingereist sind davon erst gut 1.300. Die Hälfte davon hat sich den Flug selbst organisiert und bezahlt, sonst säße sie noch immer im Libanon.

Die Nachbarländer Syriens haben mehr als 2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Pro Asyl und die evangelische Kirche hatten deshalb ein weit größeres Kontingent von Deutschland gefordert. „Denkt man daran, dass wir während des Bosnienkriegs die vorübergehende Aufnahme von mehr als 320.000 Bürgerkriegsflüchtlingen bewältigen konnten, so ist eine Aufnahme von 100.000 syrischen Flüchtlingen unserer Wirtschaftskraft und politischen Verantwortung eher angemessen“, sagte die Sprecherin der Evangelischen Kirche im Rheinland, Barbara Rudolph.

Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt nannte den Beschluss der IMK als „Ergebnis eines herzlosen Geschacheres um Zahlen“. Den in den völlig überfüllten Lagern rund um Syrien festsitzenden Menschen stünden angesichts des anbrechenden Winters „verzweifelte Monate mit der geringen Hoffnung auf Rettung bevor“. Er kritisierte zudem, dass die rund 55.000 in Deutschland lebenden Syrer kaum eine Chance hätten, ihre Verwandten auf eigene Kosten zu holen. Der Forderung, Syrern mit Angehörigen in Deutschland den Nachzug zu erleichtern, kam die IMK nicht nach. Eine Regelung dazu sei „kurzfristig nicht in Sicht“, sagte der IMK-Vorsitzende Pistorius.

Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR nannte den IMK-Beschluss ein „wichtiges und starkes Signal der Hoffnung“. Dabei hatte die Organisation erst vor einer Woche eine alarmierende Studie zur Lage syrischer Flüchtlingskinder in Jordanien und im Libanon vorgestellt. UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres warnte: „Wenn wir nicht schnell handeln, wird diese Generation der Unschuldigen langfristig zu Opfern eines entsetzlichen Krieges“.

Am Rande der IMK kündigte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) an, ausländischen Zwangsprostituierten ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu geben. Voraussetzung sei, dass sie gegen ihre Zuhälter aussagen. Derzeit dürfen sie nur bis zum Ende des Verfahrens in Deutschland bleiben – danach werden sie abgeschoben.

„Opfer von Zwangsprostitution müssen unabhängig von ihrer Aussage bleiben dürfen“, sagte die Vorsitzende der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, Irmingard Schewe-Gerigk, der taz. Italien etwa halte dies so; dort habe sich gezeigt, dass die Frauen sich oft nur dann sicher genug fühlen, um eine Aussage zu machen. Kürzlich hatte Schewe-Gerigk dem Innenministerium deswegen 46.000 Unterschriften übergeben. „Uns wurde versprochen, sich für diese Regelung einzusetzen. Darauf warten wir weiter. Aber jeder kleine Schritt ist hier besser als nichts.“