Das Phantomtor, der nützliche Zombie

SPITZENDUELL I Das 0:1 gegen ein endlich mal in einem wichtigen Spiel starkes Leverkusen gibt verletzungsgeplagten Dortmundern die Möglichkeit, Größe zu beweisen, doch Jürgen Klopp schlägt sie aus

„Auch ein Jürgen Klopp hat das Recht, mal ein schlechter Verlierer zu sein“

RUDI VÖLLER, GNÄDIGER SIEGER

AUS DORTMUND MARCUS BARK

Jürgen Klopp ist extrem ehrgeizig. Kritiker werfen dem Trainer von Borussia Dortmund vor, ein schlechter Verlierer zu sein. Sie sahen sich am Samstagabend bestätigt. Dem Hinweis, Bayer Leverkusen sei nach dem 1:0-Sieg in Dortmund nun schon um sechs Punkte in der Tabelle der Fußball-Bundesliga enteilt, entgegnete Klopp, dass „da ja auch die Punkte von Hoffenheim eingerechnet“ seien.

Da wurde es dann doch noch mal hervorgekramt, das „Phantomtor“ von Stefan Kießling, das längst rechtskräftig anerkannt ist. „Größe zeigt sich in der Niederlage“, merkte Leverkusens Kapitän Simon Rolfes an.

In den vergangenen Wochen bot sich dem Dortmunder Übungsleiter häufig die Möglichkeit, mit Niederlagen umzugehen. Drei der vergangenen vier Bundesligaspiele gingen verloren, zwei Heimniederlagen hintereinander (zuvor 0:3 gegen den FC Bayern) hatte es zuletzt 2009 gegeben. In den Duellen mit den derzeit sechs bestplatzierten Mannschaften gelang dem BVB in der Hinrunde nur ein Erfolg gegen den FC Schalke 04.

Es hakt bei der Borussia, die so attraktiven Fußball spielen kann, aber es derzeit nur sehr selten zeigt. Am 1. November beim 6:1 gegen den VfB Stuttgart gelang der bislang letzte Treffer aus dem offenen Spiel heraus. Seither gab es in der Bundesliga vier Tore für den BVB, je zwei durch Freistöße und Elfmeter.

„Wenn du gegen Leverkusen gewinnen willst, musst du sehr gut spielen. Das haben wir nicht getan“, sagte Klopp und diagnostizierte Mängel bei der Präzision der Pässe im vordersten Spieldrittel. Das war aber nur ein Teil der Wahrheit. Der BVB hat derzeit enorme Probleme im Spielaufbau. Die verletzten Mats Hummels, der von hinten heraus eröffnet, und der ballsichere Ilkay Gündogan fehlen. Das kann gegen schwächere Teams kaschiert werden, gegen Leverkusen war es offensichtlich.

„Wir befinden uns in einer Scheißsituation“, fasste Stürmer Robert Lewandowski zusammen. Damit waren auch die vielen verletzten Spieler gemeint, zu denen sich zwei neue gesellten. Die defensiven Mittelfeldspieler Sven Bender und Nuri Sahin humpelten mit Knöchelverletzungen vom Platz. Sie wurden danach in ein Krankenhaus gefahren. Eine Diagnose steht aus, aber Klopp geht davon aus, dass beide am Mittwoch in der Champions League bei Olympique Marseille fehlen werden. Der BVB muss das Spiel gewinnen, um die Gruppenphase zu überstehen. Immerhin eine bessere Ausgangsposition, als sie Leverkusen besitzt, das in San Sebastián zwingend mehr Punkte holen muss als Schachtar Donezk bei Manchester United.

„Ich muss mir keine Gedanken machen, was wir besser machen können, wenn ich nicht weiß, mit wem wir es besser machen können“, klagte Klopp. Als geringstes Übel erschien ihm noch, dass Sokratis gegen Leverkusen in der hektischen Nachspielzeit die Gelb-Rote Karte sah. Damit wird dem BVB am kommenden Samstag in Hoffenheim nur noch Manuel Friedrich als erfahrener Innenverteidiger zur Verfügung stehen. Der Ex-Leverkusener leitete mit einem Fehlpass den Treffer von Heung Min Son vor (18. Minute), der sich angesichts des überzeugenden Sieges forsch zeigte. „Jeder kann sehen, wer auf Platz zwei steht. Die Bayern sind nur vier Punkte weg. Da wollen wir noch ran“, sagte der Südkoreaner.

Keine zwei Wochen nach dem deprimierenden 0:5 in der Champions League gegen Manchester United war Leverkusen wieder obenauf. Die Rote Karte gegen Emir Spahic (81.) fiel kaum ins Gewicht. Eine mutlose Werkself, nach wichtigen und verlorenen Duellen häufig verspottet, mutierte am Samstag zu einer gefestigten Einheit, die konsequent nach vorne verteidigte. „Es war sehr wichtig, Deutschland zu zeigen, dass wir auch in solchen Spielen mithalten können“, sagte Sportdirektor Rudi Völler. Den ätzenden Kommentar über das „Phantomtor“ nahm er gelassen hin: „Auch ein Jürgen Klopp hat das Recht, mal ein schlechter Verlierer zu sein.“