: Alba verliert Meistertitel aus den Augen
In einem Basketball-Krimi verliert Alba in letzter Sekunde gegen Köln. Im Kampf um den Titel dürfen sich die Berliner jetzt keine Schlappe mehr erlauben. Doch der Druck könnte für das Team zu groß sein, das ab und an unter Lähmungserscheinungen leidet
VON ANDREAS RÜTTENAUER
Mike Penberthy ist das, was man einen Shooter nennt. Er ist vor der Saison verpflichtet worden, weil er beinahe immer trifft, wenn er auf den Korb wirft. Seine Würfe von jenseits der Dreipunktelinie haben vor allem in der ersten Hälfte der Saison dafür gesorgt, dass die Basketballer von Alba Berlin Spiele gewonnen haben, in denen sie nicht überzeugen konnten.
Kommt Penberthy aus der Mitteldistanz zum Wurf, dann konnten die Fans die Arme nach oben recken, lange bevor der Ball wirklich durch den Ring gerutscht ist. Ähnlich war es bei Freiwürfen. Kaum ein Spieler ist sicherer von der Linie als Penberthy. Daher war es eigentlich die falsche Entscheidung der Kölner, zehn Sekunden vor Ende des dritten Endspiels um die deutsche Basketballmeisterschaft ausgerechnet den ehemaligen NBA-Champion zu foulen.
Der Shooter patzt
80:79 führten die Berliner. Penberthy schritt zur Linie und warf – daneben. Auch der zweite Freiwurf verfehlte das Ziel. Köln war im Ballbesitz. Die Uhr lief für Alba. In letzter Sekunde feuerte Immanuel McElroy den Ball aus der Distanz in Richtung Korb. Mit der Schlusssirene fiel er durch den Ring. 80:82. Köln hatte gewonnen und führt nun in der Best-of-five-Serie mit 2:1.
Die Spieler der Gäste lagen freudetrunken auf dem Hallenboden. Die 10.500 Zuschauer in der Max-Schmeling-Halle waren entsetzt, die Spieler schlichen wie begossene Pudel vom Feld. Und Alba-Trainer Henrik Rödl musste erst einmal lange und ganz tief Luft holen, bis er das, was er eben gesehen hatte, in Worte fassen konnte: „Das ist eine herbe Niederlage.“
Vor allem war es eine Niederlage, mit der zur Pause niemand in der Halle gerechnet hatte. Nach dem zweiten Viertel führten die Berliner mit 44:25. Zeitweise lag Alba mit 23 Punkten in Führung. Die Verteidigung funktionierte. Köln hatte lange Zeit Probleme, vor Ablauf der 24 Sekunden, die jede Mannschaft für einen Angriff zur Verfügung hat, zum Abschluss zu kommen. Im ersten Viertel gelangen den Gästen gerade einmal neun Punkte. Zu schnell, zu variabel spielten die Berliner. Sie packten jenen Zauberbasketball aus, den sie in der Punkterunde vor allem gegen schwächere Gegner so oft gezeigt hatten. Alba spielte mit einer Lockerheit, wie sie das verwöhnte Berliner Publikum in den Play-off-Spielen zuvor oft vermisst hat.
Im Viertelfinale gegen Oldenburg, auch im Halbfinale gegen Bremerhaven schlichen die Favoriten aus der Hauptstadt bisweilen derart verunsichert über das Parkett, dass beinahe jeder Bewegung der Druck anzumerken war, der auf der Mannschaft lastete. Die Saison, in der der Tempobasketball der Berliner die Liga im Sturm genommen hatte, sollte unbedingt mit der Meisterschaft gekrönt werden. Die Rückkehr auf die Bühne Europaliga war fest eingeplant. Der Verein ist umstrukturiert worden, eine Kapitalgesellschaft veranstaltet fürderhin Profibasketball in Berlin. Der Etat soll Jahr für Jahr wachsen, Alba wieder eine feste Größe in der Europaliga werden.
Für dieses Ziel ist die Mannschaft zusammengestellt worden. Die hohen Vorgaben scheinen die Mannschaft jedoch bisweilen zu lähmen. Im ersten Finalspiel, das die Berliner ebenfalls zu Hause verloren haben, waren die Versagensängste am deutlichsten zu spüren. Spielmacher Hollis Price, einer der besten Point Guards der Liga, vergaß bisweilen, die Systeme anzuzeigen, wusste in mehreren Situationen nichts mit dem Ball anzufangen. Das Publikum erstarrte schon nach wenigen Minuten in Schweigen. Es herrschte eine gespenstische Atmosphäre in der Halle.
Lähmung gegen Ende
Die Lähmung, die die Mannschaft vor Wochenfrist ergriffen hatte, die kam am Sonntag Mitte des dritten Viertels wieder über die Mannschaft. Ballverluste häuften sich. Die zur Pause neu formierte Verteidigung der Kölner übernahm das Kommando unter den Körben. Zweieinhalb Minuten vor Schluss gelang den Gästen erstmals der Ausgleich.
Die Kölner wirkten munterer. Die jüngste Mannschaft der Liga traf aus fast allen Lagen. „Beeindruckend“ nannte das nach dem Spiel Henrik Rödl. Und Gästetrainer Sascha Obradovic war stolz: „In den entscheidenden Momenten haben wir es geschafft, die Energie aufzubauen, um so zu spielen, wie wir uns zu spielen vorgenommen hatten.“ Heute Abend, beim Finalspiel Nummer vier in Köln, stehen die Berliner nun mit dem Rücken zur Wand. Der Serienmeister von einst will zurück an die Spitze. Der Druck, der auf der Mannschaft lastet, ist immens. Er könnte zu groß sein.