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Archiv-Artikel

Basis wird verarcht

Weniger Pfarrer statt weniger Kindergärten fordert die evangelische Kirchenbasis in Westfalen. Die Kirchenleitung hat sich bei den Einnahmen verkalkuliert und arbeitet jetzt an Sparvorschlägen

VON SEBASTIAN HEISER

Die Basis der evangelischen Landeskirche in Westfalen muckt auf: Die nicht-theologischen Mitarbeiter – darunter Gemeindepädagogen, Kirchenmusiker, Küster und Kindergärtner – wehren sich gegen Stellenabbau. Sie kritisieren: Die Kirchenleitung stecke zu viel Geld in die Besoldung der Pfarrer und vernachlässige die Arbeit der Kirche in der Gesellschaft. „Den Pfarrern sind ihre eigenen Pfründe wichtiger, sie sehen nicht das große Ganze“, ärgert sich Hans-Werner Ludwig, Jugendreferent des Kirchenkreises Hattingen-Witten, im Gespräch mit der taz.

Ludwig ist daher in der Initiative „Kirche braucht Zukunft“ aktiv. Vor zwei Jahren kamen bei einer Unterschriftenaktion gegen die Einsparungen rund 1.500 Unterschriften zusammen. Heute protestieren die Protestanten in Dortmund gegen ihre Kirchenleitung. Ihr Aktionsplakat zeigt die Arche Noah – voll besetzt mit Pfarrern. Ludwig: „Die Pfarrer retten sich selbst und lassen die anderen untergehen.“

Auch die Kirchenleitung habe die Finanzprobleme erkannt, erklärt Sprecher Andreas Duderstedt der taz. Der Grund dafür liege in den 80er und 90er Jahren. Nachdem zuvor Pfarrerknappheit geherrscht hatte, stellte die Kirche damals alle geeigneten Theologen ein – und als die regulären Pfarrstellen besetzt waren, wurden zusätzliche Stellen eingerichtet. Die Hoffnung war, dass die Kirchensteuereinnahmen weiter steigen. Nach der Wiedervereinigung wurden zur Unterstützung der Ost-Kirchen sogar die Rücklagen angebrochen. Jetzt hat die evangelische Kirche in Westfalen gleich mehrere Probleme: Die Einnahmen aus der Kirchensteuer sinken, auf rund 1.500 Pfarrstellen kommen 2.100 Pfarrer, die Zahl der Pensionäre steigt. „Es ist das gleiche Dilemma wie bei den Rentenkassen“, so Klaus Winterhoff, Vizepräsident der Kirche.

Die Initiative „Kirche macht Zukunft“ macht nun eine einfache Rechnung auf und kommt zu dem Ergebnis, dass in Westfalen 600 Pfarrer zu viel angestellt sind. Doch statt hier zu sparen, schließe die Kirche lieber Kindergärten, lautet der Vorwurf. Hans-Werner Ludwig rechnet vor: Den Lohn der Angestellten in Kindergärten zahlt die Kirche nur bis zu 20 Prozent selbst, der Rest kommt als Zuschuss vom Staat. Pfarrer müsse die Kirche dagegen komplett selbst zahlen. Für jeden eingesparten Pfarrer könnten also gleich mehrere Arbeitsplätze an anderer Stelle gerettet werden.

Die Landeskirche bietet Pfarrern inzwischen etwa an, als staatlich bezahlte Religionslehrer an Schulen zu wechseln, oder nur noch als Halbtagspfarrer tätig zu sein. Doch nur wenige nehmen das Angebot an. „Kirche braucht Zukunft“ fordert, stärker bei den Pfarrern zu sparen. Mit Abfindungen sollten diese etwa dazu bewogen werden, die Kanzeln zu räumen. Dies ist eine der Ideen, die auch die Kirchenleitung gerade prüft, sagt Sprecher Duderstedt. Ende Juni stellt die Leitung ihre Sparvorschläge vor.