: „Jetzt ist er eben weg“
Besuch im Trainingslager von Dr. Markus Merk und den WM-Schiedsrichtern: hehre Ziele, viele schöne Worte, aber lieber keine über den korruptionsverdächtigen Kollegen Massimo De Santis
AUS NEU-ISENBURG ANDREAS RÜTTENAUER
Roberto Rosetti steht am Rande der Gartenanlage des Kempinski-Hotels in Neu-Isenburg. Zwei italienische Journalisten scherzen mit dem Landsmann. Das Interview, das sie mit dem großen blonden Schiedsrichter führen, wirkt wie ein vertrautes Gespräch. Wie das so geht, werden immer mehr Journalisten auf den zurückhaltenden Italiener aufmerksam und stellen sich dazu. Der scheue Mann beantwortet Frage um Frage. Ja, er sei stolz, hier zu sein. Das Übliche.
„Wissen Sie, ich führe in Turin ein ganz einfaches Leben.“ Rosetti arbeitet in der Verwaltung eines Krankenhauses. Er sagt, dass er das brauche, um neben dem Fußball noch einen zweiten Kosmos zu haben.
All das will selbstverständlich keiner der Journalisten wissen. Sie wollen hören, was der Turiner über den Fußballskandal in Italien denkt, was er von seinem Kollegen hält. Von Massimo De Santis, jenem Mann, den der italienische Fußballverband vom Turnier in Deutschland zurückgezogen hat, weil sein Name im Zusammenhang mit dem Manipulationsskandal um Juventus Turin genannt worden war. „Grazie“, sagt Rosetti plötzlich, lächelt höflich und wendet sich ab.
Es ist Medientag im Schiedsrichterhotel der Fifa. Die 21 Unparteiischen, die vor etwas mehr als einer Woche vor Frankfurt ihr Trainingslager bezogen haben, stellen sich in der Parkanlage der noblen Herberge den Fragen von Journalisten. Sie sind gut vorbereitet. Denn jeder schwärmt brav von der Atmosphäre, redet vom Schiedsrichter-Team als der 33. Mannschaft der WM. Seit knapp zwei Jahren läuft das Vorbereitungsprogramm. Bestens, versteht sich.
Star der Veranstaltung ist Markus Merk, der schiedsrichternde Zahnarzt aus Otterbach. Das Kameragrinsen des zweimaligen Weltschiedsrichters wirkt ein bisschen wie geübt. Er redet lauter als seine Kollegen. Er gibt den Ton an, ohne Kommandos zu geben. Auch er schwärmt von der professionellen Vorbereitung mit körperlichem, taktischem und mentalem Training. Er redet von der Verantwortung der Schiedsrichter bei einer Weltmeisterschaft. „Was hier passiert, ist richtungsweisend für die nächsten vier Jahre“, erklärt Merk.
Zwei Ziele gelte es bei diesem Turnier vor allem im Auge zu behalten: die zu beschützen, die Fußball spielen wollen und können. Und das Spiel schnell zu machen. Ellbogenchecks, Tackling, Halten und Simulieren seien die Hauptthemen der Vorbereitung gewesen. Darauf habe sie Fifa-Chef Sepp Blatter höchstpersönlich eingestellt (Merk: „Wie er sich für den Fußball einsetzt, das ist fantastisch, ganz toll“).
Von all diesen Dingen berichtet Merk ausführlich. Selbst nach drei Stunden Interviewmarathon kann er immer noch freundlich wirken. Nur auf eine Frage reagiert er unwirsch. Auf die Frage nach Massimo De Santis. „Wir sind seit 26. Mai, 18 Uhr zusammen. Seit diesem Zeitpunkt war das bei keinem von uns ein Thema.“ Er müsse ihn doch gut gekannt haben, wird Merk gefragt. „Im Februar beim letzten Treffen war er noch dabei“, bellt Merk zurück, „jetzt ist er eben weg.“ Basta. Keine Auskunft mehr von Merk dazu.
Auch der Oberaufseher über die WM-Schiedsrichter, der spanische Vizepräsident der Fifa, Ángel María Villar Llona, will nicht über Spielmanipulationen reden. Er hält alle nominierten Schiedsrichter für „Ehrenmänner“. Selbstredend legt er die „Hand für sie ins Feuer“. Massimo De Santis? „Persönlich bin ich der Meinung, dass dieser Schiedsrichter unschuldig ist.“
Um Restzweifel vor allem der kritischen Journalisten auszuschließen, werden die WM-Referees in dieser Woche noch einen Ethik-Kodex unterschreiben, in dem sie versichern, dass weder sie selbst noch ihre Verwandten Wetten auf WM-Spiele abschließen. Ein bisschen etwas haben die Schiedsrichter auch ohne Zocken von der WM. 40.000 Dollar zahlt die Fifa für sechs Wochen Arbeit im Dienste der Gerechtigkeit auf dem Platz.