: Konzerte nicht nur für Reiche und Schöne
Er durfte gestern erstmals öffentlich reden und war restlos begeistert: Klassik und Weltmusik vereinen und zudem die Jugend ködern will Christoph Lieben-Seutter, frisch gekürter Intendant der Hamburger Elbphilharmonie
„Es passt alles wie ein Handschuh.“ Christoph Lieben-Seutter, der gestern offiziell als neuer Intendant der Hamburger Elbphilharmonie vorgestellt wurde, sprüht ganz ehrlich vor Begeisterung über das Projekt, das er ab September 2007 künstlerisch leiten soll. Sämtliche gewünschten Qualifikationen – musikalische und bauplanerische Fähigkeiten inklusive – habe er am Wiener Konzerthaus, das er seit 1996 leitet, unter Beweis gestellt, findet der 42-Jährige.
Und wenn er auch in Wien stetig steigende Zuschauerzahlen erwirtschaft und ein von Jazz bis zur Neuen Musik reichendes Programm erstellt hat, so weiß er doch, dass es ein „eins zu eins auf Hamburg übertragbares Rezept“ nicht geben kann. Hierfür wird er wohl genauer recherchieren müssen, „wer warum ins Konzert geht“ – und vor allem: wer (noch) nicht. Denn 260.000 neue Zuhörer wird er als Hamburger Generalintendant – verantwortlich für die 2009 eröffnende Elbphilharmonie und die 1908 eingeweihte Laeisz-Musikhalle – akquirieren müssen. Ein Unterfangen, das sich für 3,6 Millionen Euro seitens der Stadt bewerkstelligen lasse. „Ich gehe von einer hohen Auslastung von Anfang an aus“, so Lieben-Seutter gestern, „und werde mich natürlich um Sponsorengelder bemühen.“
Auch in puncto Profilierung der beiden Häuser ängstigt sich der 1964 in Wien geborene Kulturmanager nicht: „Es ist offensichtlich, dass sich die Elbphilharmonie eher für Werke des 20. und 21. Jahrhunderts eignet und die Laeiszhalle für ältere Musik.“ Abgesehen davon gebe es in Hamburg durchaus vernachlässigte Segmente. Kammerkonzerte und Recitals zählt er dazu: „Musik besteht nicht nur aus Orchesterkonzerten.“
Überhaupt gehe es um die Vernetzung von Musik, sagt der dem Jazz und der Weltmusik gleichermaßen zugetane Chef, der „kein Programm nur für die Reichen und Schönen“ erstellen und bewusst junge Zuhörer ansprechen will. Mit Musik-Ausbildungsstätten will er zusammenarbeiten und wünscht sich, „dass keiner enttäuscht aus dem Haus geht. Und wenn das Vicky-Leandros-Fans sind, habe ich damit kein Problem.“ Wohl aber mit „drittklassigen Orchestern und unverbindlichen Opernmelodie-Potpourris“. Derlei werde er zu verhindern wissen: „Wir müssen schon klare Grenzen ziehen.“
Wo die im Hinblick auf das bereits als „Orchestra in Residence“ bestellte Hamburger NDR-Orchester und die höchst agilen privaten Konzertveranstalter verlaufen sollen, dazu sagte er gestern nichts. Klar sei aber, dass das ältere Konzerthaus unter der Neueröffnung nicht leiden solle: Etliche Zuhörer hätten „eine starke emotionale Bindung“ an die Laeiszhalle, „und die wollen wir nicht stören“.
Der Planung für die Laeiszhalle will sich Lieben-Seutter aber erst nach Eröffnung der Elbphilharmonie widmen. Der gläserne Prachtbau auf einem Kaispeicher aus den 60er Jahren „braucht eine strukturelle Grundsanierung und ein eigenes Orchestra in Residence“, sagt der Generalintendant.
Und vor allem braucht er, was so aus der Mode gekommen ist: Abonnenten in großer Zahl. In diesem Sinne wolle er ganz persönlich dafür sorgen, „dass es schick ist, ein Abo zu haben und möglichst noch den gesamten Freundeskreis mitzunehmen ins Konzert“. PETRA SCHELLEN