: Das Fußballtor im schicken Strick
Klischees umspielen und die Kunst flach halten: In der Neuköllner Galerie im Körnerpark zeigen elf Künstlerinnen, wie sie mit dem Ball umgehen
Mittlerweile erinnern die Aktivitäten vor der WM an die alljährlichen Vorbereitungen auf Weihnachten. Man macht einfach mit, egal ob man Lust hat oder nicht. Vom Mitmachen leben auch die Markenartikelvertreiber und Kulturschaffenden, die ihre Formate seit Monaten auf das Großereignis Fußball zuschneiden. Mit wechselndem Erfolg. Was bei den einen als Strategie des Product Placement durchaus auf der Hand liegt, wirkt bei den anderen zuweilen etwas angestrengt.
Einen neuen Versuch, auf der Welle des kulturellen Sporteifers in die Aufmerksamkeit gespült zu werden, ist in der Neuköllner Galerie im Körnerpark an den Start gegangen. „Match of the day“ heißt die Ausstellung, in der – natürlich elf – Künstlerinnen die weiblichen Perspektiven auf eine vermeintliche Männerdomäne erkunden wollen.
Frauen und Fußball. Dass das mal ein Gegensatzpaar gewesen ist, mit dem für Spannung gesorgt werden konnte, zeigt mit großer Einfachheit die Installation von Signe Theill. Als einzige der Künstlerinnen bringt sie die in Fußballkunstkreisen sonst so beliebten modernen Medien zum Einsatz. Während auf der Leinwand Szenen von Fußball spielenden Frauen zu sehen sind, trällert Wencke Myrrhe in der den Sechzigern eigenen Munterkeit: „Er steht im Tor und ich dahinter.“ Die Frau hat zwar keine Ahnung von Fußball, unterstellte der Text, aber sie schaut stolz dem Mann bei seinen Freizeitverrichtungen zu: „Frühling, Sommer, Herbst und Winter bin ich nah bei meinem Schatz auf dem Fußballplatz.“
Doch eigentlich sind Wencke Myrrhes Zeiten vorbei. Heute sind die Frauen längst souveräne Protagonistinnen auf dem Platz und im Stadion geworden. Entsprechend fehlt es den meisten der Arbeiten, die Kuratorin Bettina Lukacevic in den Körnerpark geladen hat, an Spannung. Dass der Starhype um die Spieler es mit dem Showbizz jederzeit aufnehmen kann, wie die knollenförmigen Keramikfiguren von Barbara Beranek erzählen, oder dass es beim Fußball immer auch um Konstellationen von Macht geht, wie die Druck-Collage-Technik von Süheyla Asci nahe legt, sind nicht eben elektrisierende Neuigkeiten.
Spezieller als die inhaltlichen Auseinandersetzungen sind die verwendeten Materialien. Die haben bei der Mehrheit der Arbeiten eine auffallende Ähnlichkeit. Es wurde genäht, gestickt, es wurden Netz- und Nylonstrümpfe gespannt. Und neben den kickenden Frauen auf der Leinwand steht eine überdimensionale Installation aus roter Wolle. Würde man jetzt sagen, dass sich hierin die typisch weibliche Perspektive zu erkennen gibt, könnte das nach Denunziation klingen. Dann wäre man plötzlich wieder ganz nah dran an der von Wencke Myrrhe besungenen hausmütterlichen Unbedarftheit.
Manche Künstlerin entfernt sich allerdings nicht sehr weit vom Klischee. Käthe Kruse etwa hat ein Ballkleid genäht – und dieses Ballkleid ist, jedenfalls soll es so aussehen, aus alten Fußbällen geschneidert. Dagegen setzt Isabella Krizek ihre Sticktechnik überzeugend ein: Dem Tempo und der Masse der Bilder, wie sie von den Medien produziert wird, will sie mit den Kategorien von Langsamkeit und Konservierung entgegentreten. Auch die Mexikanerin Angélica Chio arbeitet mit dem Prinzip der Abkühlung. Zwei Selbstporträts – mal glücklich, mal etwas traurig – werden von einem als Ball drapierten Ventilator in Bewegung gehalten. Deutlicher kann man kaum zeigen, dass man selbst von den Emotionen in der Fankurve nicht mitgerissen wird.
Überhaupt vermittelt die Ausstellung eher den Eindruck mäßiger Begeisterung. Sie zeigt damit wieder einmal das Problem, dass thematisch festgelegte Auftragsarbeiten in der bildenden Kunst nur selten gelingen: Reichlich brav werden bei „Match of the day“ die altbekannten Fußballklischees durchdekliniert.
Wenn das Konzept letzten Endes doch etwas Einleuchtendes hat, dann liegt das an der geschickten Umdrehung, die Kuratorin Lukacevic vorgenommen hat. Ihr geht es nämlich gar nicht um Fußball. Sie will junger Kunst ein Forum bieten, das durch die Anbindung an ein populäres Thema auf ein bisschen mehr Wirkung hoffen kann. Die Fußballweltmeisterschaft als Katalysator, der die Besucher ins Museum holt. Nicht die dümmste Form des Kulturmarketings – wenn auch zurzeit etwas inflationär. WIEBKE POROMBKA
Bis 25. 6., Di. bis So. 12–18 Uhr, Galerie im Körnerpark, Schierker Straße 8