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Archiv-Artikel

Supermanister oder GroKoordinator

REGIERUNG Bekommt Deutschland einen Energieminister? Drei Varianten, Klimaschutz und Energiewende zu koordinieren

„Wir sind reich genug, uns Klimaschutz zu leisten, aber unsere Enkel und Kinder sind zu arm, um sich keinen Klimaschutz leisten zu können“

ZITAT, DAS SIGMAR GABRIEL IN SEINER AMTSZEIT ALS BUNDESUMWELTMINISTER (2005–2009) MEHRFACH RECYCELT HAT

BERLIN taz | Das wichtigste Instrument für den Klimaschutz in Deutschland ist die Energiewende. Und deren Organisation könnte in der schwarz-roten Ressortverteilung etwas wirklich Neues bringen: ein Energieministerium. Über kaum ein anderes Thema wird derzeit in Berlin so heftig spekuliert.

Ein „Bundesministerium für Energie und X“ könnte Planung und politische Führung für eine echte Energiewende liefern. Denn die bedeutet mehr als das Aufstellen von Windmühlen und Solarmodulen (geregelt im Umweltministerium) oder neue Speicher und Stromnetze (geplant im Wirtschaftsministerium). Da geht es auch um Mietrecht und Häuserdämmung (zuständig: das Bauministerium), um Benzinverbrauch und Elektroautos (Verkehrsministerium) und um die Nutzung von Biomasse und um Kühe als Klimakiller (Landwirtschaftsminister). Zudem geht es um Gesetze (Justizressort) und die Einnahmen aus dem Emissionshandel (Finanzministerium). Und schließlich wollen die Länder einbezogen (Bundesrat) und die EU-Kommission (Auswärtiges Amt, Kanzleramt) konsultiert werden. Eigentlich hat nur der Verteidigungsminister Ruhe vor der Energiewende.

Schwarz-Rot will „die Energiewende zum Erfolg führen“, verkündet der Koalitionsvertrag. Aber wie? Debattiert werden drei Varianten: ein Superministerium mit weitreichenden Befugnissen; die „normale“ Ressortverteilung mit einem „Energiewende-Koordinator“ im Kanzleramt; und ein aufgerüstetes Wirtschaftsministerium.

Auf diesen letzten Vorschlag zielen die meisten Spekulationen: Sigmar Gabriel übernimmt das Wirtschaftsministerium. Das ist ohnehin schon für Energiepolitik, Netzausbau und Effizienz zuständig. Gabriel rüstet es mit der Abteilung „Erneuerbare Energien“ aus dem Umweltministerium auf. Eventuell nimmt er gleich noch die Abteilung Klimaschutz mit, fürchten manche. Vom Umweltministerium bliebe nur noch eine Hülle: Die Bereiche Reaktorsicherheit, Naturschutz, Abfall und Wasser könnten mit dem Verbraucherschutz ein neues Haus bilden – und der Union überlassen werden.

Gut arbeiten könnte das Energieministerium nur, wenn es Kompetenzen aus den Ressorts Bauen, Verkehr und Landwirtschaft abziehen könnte. Beobachter sind da skeptisch: Alle drei Bereiche sind Erbhöfe der CSU. Entscheidend aber wäre die Frage, ob die Beamten unter einer neuen Führung zusammenarbeiten oder sich wie bisher zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium gegenseitig blockieren würden. Ein neuer Energieminister wäre mit diesen Strukturfragen gerade in den ersten Monaten der Amtszeit beschäftigt. Dabei soll er bis Ostern das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausarbeiten.

Für ein Energiewende-Ministerium plädiert schon seit Jahren Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Es wäre richtig, die Kompetenzen für die Energiewende in einem Ministerium zu bündeln“, sagt sie Kemfert erinnert daran, dass die „Ethikkommission“ dies – wenn auch ohne Erfolg – schon 2011 vorschlagen hatte. „Für das Hauptziel der Energiewende brauchen wir ein starkes Energieministerium, welches alle Interessen und Bereiche zusammenfasst.“

Aber braucht die Energiewende einen starken Mann? (Von SPD-Frauen ist keine Rede.) Und was ist, wenn so ein Superministerium in die „falschen Hände“ gerät, also an einen Bremser der Energiewende? Nina Scheer, Energiepolitikern in der SPD-Fraktion, fände es besser, die Ressorts nicht anzutasten und „ein koordinierendes Gremium zwischen den betroffenen Ministerien“ zu schaffen. Auch ihr CSU-Kollege Josef Göppel findet ein Superministerium „nicht praktikabel“. Monatliche Bestandsaufnahmen der Energiewende im Kanzleramt würden genügen.

Aber auch die Lösung „BMWi plus Energie“ hätte ihre Tücken, warnen Praktiker: Allein der Planungs- und Verwaltungsaufwand sei riesig, wenn die Abteilung Erneuerbare Energien wieder ins Wirtschaftsressort käme, sagt ein Insider. „Bisher gibt es da keine gemeinsame Denkrichtung, das geht hü und hott.“ Im Umweltministerium habe es schon mal „Planspiele“ für einen Umzug der Abteilung gegeben. Das Ergebnis war beruhigend: Im Wirtschaftsministerium in Berlin-Mitte gebe es ohnehin nicht genug Platz für die 50 Mitarbeiter. BERNHARD PÖTTER