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Archiv-Artikel

Der Charmeur

RECHTSLIBERALE Mark Rutte hat Aussichten auf das Amt des Ministerpräsidenten

Seit Wochen ist sie die Nummer eins in den Meinungsumfragen, die rechtsliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD). Mark Rutte, ihr Spitzenkandidat, hat also Chancen, neuer Ministerpräsident der Niederlande zu werden. Erstmals in fast hundert Jahren nähme damit ein Rechtsliberaler im Haager Chefsessel Platz, wenn ihm eine Regierungsbildung gelingen sollte.

Mark Rutte hat sich im Stillen an die Spitze geschoben. Während das mediale Augenmerk auf den Kontrahenten Job Cohen, dem im März überraschend installierten neuen Spitzenkandidaten der Partij van de Arbeid (PvdA), und Geert Wilders von der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) lag, legte der Rechtsliberale unaufhörlich auf dem Stimmungsbarometer zu. Virtuell liegt die VVD mit 36 Sitzen vorn. Gefolgt von Cohen, 30 Sitze.

Wer also ist Mark Rutte? Ein versierter, pfiffiger Redner, in Debatten stets gut aufgestellt. Er denkt schnell und ist schlau. Außerdem ist er notorisch bester Laune und bei Interviews stets freundlich und aalglatt. Jahrgang 1967. Historiker. Aufgewachsen in Den Haag. Er liebt Musik, weshalb er früher Konzertpianist werden wollte.

Es kam anders: Bis auf einen Ausflug in die Wirtschaft, Rutte hat 10 Jahre für Unilever gearbeitet, hat er sich mit Politik beschäftigt. Seine Karriere bei den Rechtsliberalen beginnt er 1988 als Vorsitzender der Jugendbewegung der VVD. Im Kabinett Balkenende I, im Jahr 2002, wird er Staatssekretär für Soziales. Im Kabinett Balkenende II wechselt er ins Ressort Bildung. 2006 löst er nach einem heftigen parteiinternen Machtkampf die rechte Hardlinerin Rita Verdonk als Parteichefin ab und übernimmt wenig später auch den VVD-Fraktionsvorsitz.

Der 43-Jährige hat bei seinem geräuschlosen Aufstieg von der Finanz- und Eurokrise profitiert. Den Rechtsliberalen trauen die durch Meinungsinstitute Befragten offenbar am ehesten zu, das extrem exportabhängige Land erfolgreich durch anstrengende Zeiten zu steuern. Was die in den nächsten Jahren einzusparenden 29 Milliarden Euro angeht, so scheint die VVD scheinbar die besten Lösungen dafür parat zu haben.

Was will Mark Rutte? Unter anderem die Zahl der Staatsdiener reduzieren, die Entwicklungshilfe halbieren, das Rentenalter von 65 auf 67 heraufsetzen, die Eigenleistung bei Krankheit erhöhen, die Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe kürzen, die Erbschaftssteuer abschaffen. Rutte verspricht den Menschen, die ein Haus auf Kredit gekauft haben, Sicherheit, indem er bestimmte Subventionen unangetastet lassen will. 40 Prozent dieser Subventionen kommen bei 10 Prozent der Reichen im Land an.

Rutte schließt bei der Regierungsbildung „keine einzige Partei aus“. Job Cohen, der Sozialdemokrat, hat deshalb gewarnt: „Wer für Rutte stimmt, bekommt Wilders’ PVV dazu.“ Beim Thema Immigration liegen Wilders und Rutte in der Tat nah beieinander. Beide Politiker wollen, dass Illegalität strafbar wird und Neulinge im Land in den ersten zehn Jahren keinen Anspruch auf Sozialhilfe erhalten. Im Gegensatz zu Wilders will Rutte jedoch das Land nicht für alle Immigranten aus islamischen Ländern dichtmachen.

Der Mann mit der jugendlichen Ausstrahlung ist übrigens Junggeselle. Er hat keine Kinder. In einem Interview hat er einmal erzählt, er finde alleine leben „herrlich“. Ein Kolumnist der Zeitung De Volkskrant erklärte jüngst den neuen virtuellen Stern Mark Rutte mit der magischen Anziehungskraft, die Gewinner ausstrahlen. Menschen wollten einfach nicht zu den Verlierern gehören. Also erhält Rutte vielleicht die Chance seines Lebens. GUNDA SCHWANTJE