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Archiv-Artikel

Parteien schieben sich locker den Ball zu

Während der WM wird Pause im Berliner Politikbetrieb gemacht. Die Fraktionsmitglieder spielen defensiv

Wie das Wahlvolk sind auch die Politiker im Berliner Abgeordnetenhaus ab heute im Fußballfieber. Man lässt sich zwar nicht auswechseln, greift aber auch nicht den politischen Gegner mit Powerplay an. Wenn der Ball rollt, wird es schwer, mit politischen Botschaften durchzudringen, räumen die Fraktionen ein.

Bei den Sozialdemokraten atmet Frank Zimmermann auf. Wenige Tage nach dem Abpfiff des Untersuchungsausschusses zur Bankenaffäre, den Zimmermann als Spielführer geleitet hatte, bleibt nun Zeit für die Jagd nach dem Leder – als Zuschauer-Hool in der Kneipe. Denn Zimmermann kennt sich fußballerisch aus. Als Linksaußen kickt er für den Mariendorfer SV in der Seniorenmannschaft.

CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer geht ab Freitagabend aus dem Fraktions-Kasten raus, zieht aber mit einer Abstiegstruppe in die WM: Fritz Niedergesäß, Peter Trapp und Frank Steffel wollen auf der Fanmeile akustische Steilpässe für die Klinsi-Truppe geben. Hoffentlich macht Steffel da nicht wieder – aus der Tiefe des Raumes – die politische Blutgrätsche!

Obwohl als Kickmuffel verschrien, lässt sich PDS-Linksaußen Stefan Liebich auch für die WM als Zuschauer aufstellen, denn seine Lebensgefährtin Kerstin Bauer liebt dribbelnde Männerbeine auf gut bespielbarem Rasen. Ebenso wie Alice Ströver: Die will das Spektakel diesmal als fußballvernarrte Kulturfrau der Grünen genießen. Im Unterschied zur WM vor vier Jahren in Asien, als das Parlament mitten in den Haushaltsberatungen sich öde Querpässe zuspielte, geht Ströver jetzt Stadionluft schnuppern. Sie hat immerhin für zwei Spiele in Berlin Tickets ergattert, darunter Deutschland gegen Ecuador. Dass die vom Platz gefegt werden, ist für Stöver klar.

Und was macht unser Berliner Spielführer Klaus Wowereit? Auch er geht weniger ins Büro als ins Olympiastadion und sitzt dort auf der Ehrenbank. Aber wann Abseits ist, so ein Partei-Mitspieler, weiß er trotzdem nicht.

ROLF LAUTENSCHLÄGER

Der Autor hat lange als Mittelstürmer und später als Libero gekickt und flog mehrmals vom Platz.