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Archiv-Artikel

Fan-Fest am Brandenburger Tor: blonde Gefühle im Scheinwerferlicht

Muss man, wenn es losgeht, auch persönlich losgehen, oder reicht es, vor dem Fernseher zu sitzen?

Warum eigentlich seinen Hintern bewegen, wenn man doch „mit dem Zweiten“ ohnehin besser sieht, „jetzt geht’s los“ kann man schließlich auch zu Hause vor dem Fernseher grölen, mit Tiefkühl-Pizza auf dem Schoß statt Bratwurst in der Hand: Die Berliner Fan-Party mit dem Auge des ZDF gesehen war blond (z. B. Schöneberger, Elvers-Elbertzhagen) und kompakt: „Dreimal das Olympiastadion voll“ (Senatssprecher Michael Donnermeyer) in einen Käfig in Berlins Mitte gepfercht – gutes Schwenkfutter für die Kamera-Kräne, Berlin die Kulissenstadt und alle Einwohner bloß Statisten. Dazu Schalt-Gimmicks wie ein Udo-Walz-Interview, die Simple Minds und große Gefühle: „Mein Herz klopft, ich liebe euch“, offenbarte Pelé.

Alles in allem eine Sendung, die zumindest indirekt mitten ins Herz der meisten deutschen WM-Fans zielte: Wer keine Karten bekommen hat, sitzt eben vor dem Fernseher, wenn es denn losgeht und auch, wenn es schon mittendrin ist. Einen live von Pelé ins Publikum geschossenen, gold gefärbten Finalball bekommt man so natürlich nicht. Aber wussten Sie schon, dass es Nutella jetzt auch in einem fußballrunden Glas gibt? Nur so zum Trost. MARTIN REICHERT

Das Warten hat endlich ein Ende. So dachten wohl die Fußball-Fans, die zur WM-Eröffnungsparty auf die Fanmeile in Berlin geströmt waren. Mit Fußball hatte die Veranstaltung leider wenig zu tun, eine Einstimmung auf die Party-Wochen wurde den Berlinern dennoch geboten. Das erste Mal in der Schlange anstehen, die ersten bunten Fahnen und die ersten Verbrüderungstänze zwischen den Fans.

Pelé gehörte der größte Applaus des Abends, und die Gänsehaut, die der Fußballer des Jahrhunderts bei jedem Auftritt hervorruft, war allgemein spürbar. Eine Live-Schalte in das Mannschaftshotel der deutschen Elf ermöglichte den Fans das eigens für diesen Moment einstudierte Final-Lied zu singen. Sie taten das lautstark, und einen kurzen Moment lang wurde deutlich, was uns für eine Stimmung auf der Fanmeile in Berlin erwartet.

Das war’s dann aber mit Fußball. Selbst als gegen Ende ein kurzer Film über die WM-Geschichte gezeigt wurde, stand das Spektakel im Vordergrund. Auf den hinteren Bildschirmen waren nur die Laser-Show und das Feuerwerk um das Brandenburger Tor zu sehen. Der Rest war Show und Popmusik. Nichts, was mit Fußball zu tun gehabt hätte. BASTIAN HENRICHS