LESERINNENBRIEFE
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Kunst ist für alle da

■ betr.: „Schafft die Kunst ab!“, taz vom 11. 12. 13

der blick von georg seesslen ist bedingt durch die medienberichterstattung, die sich meist nur mit sensationen und skandalen im kunstbereich befasst, etwas eingeengt: kunst findet nicht nur bei den reichen statt und natürlich spiegelt sich der kunstwert eines gemäldes nicht in den rekordpreisen wieder, die von sotheby’s und christies berichtet werden. meist ist er weit geringer, aber das ist sache der spekulanten und jede blase platzt einmal. museen ziehen hier immer den kürzeren, profitieren jedoch häufig durch leihgaben und schenkungen derer, die meinen, sich kunst zu diesen preisen leisten zu wollen.

abseits dieser szene gibt es ein sehr aktives kunstleben. man denke nur an die hunderte kunstvereine in deutschland, die sich gerade um junge neue künstler kümmern, man denke an die tausenden galerien, die nicht nur superstars zeigen, sondern zu erschwinglichen konditionen eine breite auswahl aller kunstrichtungen anbieten, und letztlich gibt es hunderte kleiner auktionshäuser in deutschland, wo man immer wieder sehr gute kunst zu erstaunlich niedrigen preisen ergattern kann – für die, denen es um die kunst und nicht um namen geht. kunst ist glücklicherweise für alle da und für alle erreichbar, und das wird auch so bleiben. natürlich wäre es schön, wenn für die jungen kunstschaffenden etwas mehr vom tisch der großen reichen abfiele, aber der wunsch ist auch nicht neu. DIRK BRAUN, Tangstedt

Film war ein Gewinn

■ betr.: „Willy Cool, irgendwie“, taz vom 10. 12. 13

Nein, Herr Waibel, es war tatsächlich nicht falsch, diese Hommage an Willy Brandt gesehen zu haben, auch wenn Sie die in zwanghaft-lässlicher Kritiker-Attitüde als „unpolitisch“ abtun mögen. Brandt war kein Held – und das musste er auch nicht sein. Doch er war eines der letzten Politiker-Exemplare mit Überzeugung und Haltung. Und wer meint, die sehr persönliche Sicht auf Brandt als sentimentalen Rückblick auf eine „Lifestyle Ikone“ abtun zu müssen, der ist entweder zu jung oder unfähig, seine historische Leistung einzuordnen.

Ist seine von rechts vehement als Verrat bekämpfte Ostpolitik vielleicht nicht politisch? Ist der „Wandel durch Annäherung“ nicht eine der am höchsten zu bewertenden, friedenstiftenden politischen Leistungen der deutschen Nachkriegsgeschichte? Ist sein bis heute unerfülltes Credo zu „mehr Demokratie wagen“ im noch immer nachbräunenden Nachkriegsdeutschland vielleicht kein hochpolitisches Bekenntnis, das damals die Kinder der Tätergeneration elektrisierte und der SPD nie wieder erreichte Wahlerfolge bescherte?

Und warum sollte man heute Gegner von Brandts einstiger Politik vor die Kamera bringen? Kiesinger, Strauss, Filbinger, Barzel oder auch Wehner wieder ausgraben? Selbst ein Genscher oder auch die offizielle CDU würde heute kaum noch Kritik an Brandts Ostpolitik üben wollen. Deren politische Haltung ist denen doch längst bekannt, die seinerzeit die politische Landschaft mit Interesse verfolgten – beispielhaft sind Adenauers perfide Intrigen.

Mir waren allerdings die Hintergründe aus dem persönlichen Umfeld der Zeitzeugen weniger bekannt. Und deshalb war der Film für mich, anders als für Sie, Herr Waibel, ein Gewinn (übrigens in der ARD am 17. 12. nochmals nachzuvollziehen).

KLAUS-ULRICH BLUMENSTOCK, Stuttgart

Neoliberalismus vernebelt

■ betr.: „Kein Recht auf Anstellung“, taz vom 11. 12. 13

Bei der Leiharbeit sind jetzt die Gewerkschaften und die Politik gefordert, Änderungen herbeizuführen.

Es heißt, dass „der Arbeitsmarkt nach LeiharbeiterInnen verlangt“. Die Industrie will flexibel sein und dafür brauchen sie flexible ArbeiterInnen. Okay. Aber ich bekomme bisher den Kapitalismus so vermittelt: Wer das Risiko trägt, soll auch mehr vom Gewinn haben. Also müssten die LeiharbeiterInnen doch mindestens den dreifachen Tariflohn bekommen, denn die LeiharbeiterInnen tragen das Risiko, von einem Tag zum anderen auf der Straße zu stehen, sie tragen das Risiko der Altersarmut. Bei einem dreifachen Tariflohn würde es bestimmt weniger Leiharbeit geben, und wenn die Industrie die Leiharbeit so dringend braucht, dann werden sie gerne die höheren Löhne bezahlen.

Dass dieser Gedanke nicht diskutiert wird, zeigt doch, wie uns der Neoliberalismus schon vernebelt hat. Oder anders rum: Das zeigt doch, dass die Leiharbeitsauftraggeber doch nur die Löhne drücken wollen. Von wegen die Produktion an den Markt anpassen. Das geht auch mit regulären Arbeitsplätzen. KARL HAGEN, Horb am Neckar

Haltung ist nötig

■ betr.: „EADS wird Opfer des europäischen Sparens“, taz vom 11. 12. 13

Warum nur eine Nachricht, wenn Haltung nötig ist?

Rüstungsindustrie produziert Mordwaffen – wird es nicht endlich Zeit, das auch dann laut zu sagen, wenn deutsche FacharbeiterInnen eventuell ihre (objektiv entfremdete) Arbeit verlieren, weil Staaten nicht noch mehr aufrüsten? Leider übernimmt die taz die offiziöse Meinungsmache vom „Opfer des Sparens“, statt deutlich zu schreiben: Der militärisch-industrielle Komplex setzt nicht nur Regierungen unter Druck, ihm weitere Milliarden Profite zu ermöglichen, sondern er ist einer der Hauptverantwortlichen für Kriege.

Und nicht vergessen, liebe konsumkorrumpierte ArbeitnehmerInnen: Auch „sein Maul frisst deine Arbeitskraft“ (Mossmann) und mindert aller Menschen Würde. GEORG FISCHER, Schefflenz