: Warum die Strommasten umknickten
Abschlussbericht der Bundesnetzagentur zum Stromausfall im Münsterland 2005: Alles entsprach der Norm
BONN taz ■ Das Abknicken der Strommasten im Münsterland vor einem halben Jahr war nicht durch eine vernachlässigte Wartung des Stromnetzes bedingt. Dies erklärt die Bundesnetzagentur in ihrem Abschlussbericht über die damaligen Stromausfälle. Die Aufsichtsbehörde stützt sich auf ein Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).
Im November 2005 waren – vor allem in der Region der westfälischen Gemeinde Ochtrup – 83 Hochspannungsmasten umgestürzt sowie 400 Mittelspannungsmasten in Mitleidenschaft gezogen worden. Ursache waren Schneemengen, wie sie in dieser Region äußerst selten sind, sowie Temperaturen um null Grad, die den Schnee sehr feucht werden ließen. Hinzu kam ein starker Wind bis Stärke acht. So ist die Belastung des Materials dem Bericht zufolge bis auf das Siebenfache dessen gestiegen, was die Norm zugrunde legte.
Die Bundesnetzagentur ist nach ihrer Analyse nun überzeugt: Eine Sanierung der Netze „im Rahmen wirtschaftlich zumutbarer Programme“ ist notwendig. Ein vom Stromkonzern RWE angekündigtes Sanierungsprogramm erscheine geeignet, müsse aber beschleunigt werden. Beim Einsatz von Masten aus so genanntem Thomasstahl könne die Tragfähigkeit der Bauteile durch Versprödung, einer speziellen Materialveränderung, um „40 Prozent und mehr“ abnehmen. Die Versorgungssicherheit wäre so beeinträchtigt, selbst wenn die Masten noch der Norm entsprechen.
Die materialtechnischen Untersuchungen der gebrochenen Stahlstreben hätten gezeigt, dass diese durchaus noch der geltenden Norm entsprachen; es gab also keine zwingende Vorschrift, diese auszutauschen. Das Problem: Es gilt stets die Norm des Baujahres – viele Verschärfungen der Vorschriften gelten dann immer nur für neu errichtete Masten. Entsprechend werden heute über 80 Jahre alte Masten nach alten Normen überwacht. Die Normung müsse „dahingehend überprüft werden, ob die Wetterereignisse der letzten Jahre nicht zu einer Anpassung der zu berücksichtigenden Zusatzlasten aus Wind und Eis sowie der regionalen Zuordnung der Eislastzonen führen müssen“, heißt es bei der Netzagentur.
BERNWARD JANZING