: Strompreise schlagen Funken
Das Land verlangt niedrigere Strompreise von Vattenfall Europe: Der Konzern habe die Kosten der Netzdurchleitung für die Kunden zu hoch angesetzt. Das Unternehmen will jetzt vor Gericht ziehen
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Zwischen dem Land Berlin und dem Energieversorger Vattenfall Europe ist ein Streit über die Strompreise entbrannt. Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) hatte am Donnerstag das Stromunternehmen Vattenfall zur „unverzüglichen Senkung“ der Strompreise in Berlin aufgefordert, nachdem zuvor die Bundesnetzagentur 18 Prozent der beantragten Durchleitungskosten des Konzerns nicht anerkannt hatte. Vattenfall-Vorstand Klaus Rauscher kündigte daraufhin an, gegen den Bescheid vor Gericht zu ziehen. Eine Sprecherin von Vattenfall Europe bestätigte gestern den unverzüglichen Gang vor den Kadi. Der Bescheid sei klar „rechtswidrig“ und müsse per Eilverfahren außer Kraft gesetzt werden, sagte sie.
Die Bundesnetzagentur hatte am Donnerstag Vattenfall zur „verbindlichen“ Absenkung der Strompreise in ganz Deutschland verpflichtet. Vorausgegangen war die Untersuchung der Netznutzungsentgelte – Gebühren, die der Energieversorger zur Durchleitung von Strom zu den Kunden erhebt. Dabei handelt es sich um Entgelte zur Durchleitung des eigenen Stroms wie auch für den anderer Anbieter.
Nach Angaben der Bundesnetzagentur berechnet Vattenfall 18 Prozent zu viel Entgelte. Deren Reduzierung müsse an den Verbraucher in Form niedrigerer Stromkosten weitergegeben werden. Behördenchef Matthias Kurth sprach in Bonn von einer „Weichenstellung“ bei den Stromkosten.
Wirtschaftssenator Wolf forderte Vattenfall Europe auf, die Kürzung umzusetzen. Die geltenden Tarife seien von der Senatswirtschaftsverwaltung nur unter der Auflage genehmigt worden, dass das Unternehmen sinkende Netzentgelte unverzüglich an die Verbraucher weitergebe, so Wolf. Dieser Fall sei mit dem Netzbericht eingetreten. Künftig müsse weniger für die Stromlieferung gezahlt werden, was dem Verbrauchern zugute komme.
Auch die Grünen mahnten bei Vattenfall Europe eine Entlastung der Kunden an. „Vattenfall muss die Erhöhung der Netzgebühren wieder rückgängig machen und damit auch den Verbraucher entlasten“, sagte die grüne Berliner Spitzenkandidatin, Franziska Eichstädt-Bohlig. Die Erhöhungen seien „willkürlich“ erfolgt. Der Senat müsse sich für die Berliner Kunden einsetzen und die Strompreiserhöhung wieder „abwenden“.
Bei dem Konzern, der bundesweit rund 3 Millionen Haushalte – vornehmlich in Berlin und Hamburg – versorgt, bezeichnet man die Kritik der Bundesnetzagentur und des Senats als „nicht nachvollziehbar“. Der Bescheid der Bonner Behörde, so Rauscher, sei „sachwidrig und wirtschaftlich nicht akzeptabel“. Er gefährde den wirtschaftlichen Betrieb von Stromnetzen. Eine geforderte Reduzierung der Nutzungsentgelte um 18 Prozent bedeute einen Ertragsverlust von 115 Millionen Euro für Vattenfall Europe im laufenden Jahr. Rauscher ließ offen, ob der Energiekonzern unter diesen Umständen weitere Investitionen in Berlin tätigen werde – was seitens des Senats sogleich als Erpressungsversuch ausgelegt wurde.
Unterm Strich würden die Stromkosten der Bürger bei einer Gebührenreduzierung nur marginal fallen – um 2 bis 3 Euro pro Jahr. Denn Durchleitungsgebühren machen nach Expertenansicht zwar rund ein Drittel der Kosten aus. Bei Kosten im Hochspannungsnetz sind es nur rund 10 Prozent.
Dennoch: Die Regulierung der Netzdurchleitungsgebühren soll für mehr Wettbewerb sorgen und zu günstigeren Strompreisen für die Verbraucher führen.