wm, identitäten etc. : Flaggen zeigen
In den Straßen der Hauptstadt sieht man in diesen Tagen häufiger Autos, an denen große Flaggen angebracht sind. Einerseits war das zu erwarten; schließlich erhöhen Fußballereignisse die Bereitschaft, sich zu seinen Farben zu bekennen. Andererseits scheint bei dieser WM eine große Anzahl von Fahrzeugen nicht nur mit einer, sondern gleich mit zwei Flaggen geschmückt zu sein. Das gab es 74 noch nicht. Die deutsche Flagge ist immer mit dabei. Daneben weht aber oft eine italienische, iranische oder kroatische Flagge – sieht übrigens oft erstaunlich hübsch aus.
Es ist ja zunächst ganz klar, was das alles bedeutet. Die Fahrzeughalter drücken zum einen ihren Stolz darüber aus, im Gastgeberland einer WM zu wohnen. Zum anderen hindert das sie aber nicht daran, auch die Mannschaft des Landes zu unterstützen, aus dem die Familie zugewandert ist. Wenn deutsche und brasilianische Flaggen nebeneinander wehen, kann es auch sein, dass man sich auf jeden Fall mit einem Sieger identifizieren möchte. Aber Brasilien ist sowieso ein Sonderfall.
Die symbolischen Obertöne dieser Parallelflaggen abzugreifen, ist dann aber nicht so einfach. Jedenfalls war mal sofort von „zerrissenen“ Identitäten die Rede, sobald Menschen angeblich nicht klar einer Heimat zuzuordnen waren. Mit solchen Thesen würde man sich bei dieser Doppelbeflaggung blamieren. Stattdessen scheint es geradezu Spaß zu machen, seine Identität, wie es gerade kommt, mal hierhin, mal dorthin zu verlagern, sie auch mal aufzuteilen – und das Ganze mit Flaggenkombinationen auch noch aller Welt kundzutun. Genaueres wäre unter Zuhilfenahme der Begriffe des Transistorischen oder des Hybriden zu klären.
Was man natürlich jetzt noch einklagen könnte: überraschendere Flaggenkombinationen und solche, die sich nicht nur auf Nationen beziehen. Den Vorschlag, die deutsche Flagge etwa mit der von „Käpt’n Blaubär“ zu ergänzen, mag man noch als Witzelei abtun. Aber die Südstaatenflagge, die Regenbogenflagge, der Berliner Bär und eventuell sogar die taz-Tatze gäben doch schon hübsche Möglichkeiten. Warum sie nicht alle an seinem VW Golf anbringen?
Eine Flaggenkombination, mit der der Autor dieser Zeilen klar käme: die deutsche Flagge, die schleswig-holsteinische, die von Langnese, St. Paulis Totenkopfflagge, eine Schweizhasserflagge (persönliche Gründe) und irgendeine Flagge, auf der ein Anker vorkommt. Bleibt die Frage, wie man sie alle an ein Fahrrad montiert. DIRK KNIPPHALS