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Archiv-Artikel

Ein Plätzchen vor dem Schloss

Ehrung für Mandela

Mit Nelson Mandela starb vor zehn Tagen eine der letzten Ikonen des 20. Jahrhunderts. Die weltweite Trauer war erwartungsgemäß so groß, dass sich auch Berlin solidarisch geben wollte. Schnell war die Idee geboren, den Platz vor dem künftigen Humboldt-Forum nach dem Antiapartheidaktivisten zu benennen. Der Vorschlag der Stiftung Zukunft Berlin wurde in Mitte positiv aufgenommen, obwohl der Bezirk künftig eigentlich vor allem Frauen auf neue Straßenschilder heben soll.

Man kann Mandela nur wünschen, dass er an dieser Stelle an der Frauenquote scheitert. Denn das einzig Gute des Vorschlags ist der Zeitpunkt, zu dem er geäußert wurde. Aber warum in aller Welt sollte Mandelas Name für den Platz vor einem Gebäude herhalten, das architektonisch wie kein ein anderes in Deutschland Rückwärtsgewandtheit und Konservatismus verkörpert? Das Humboldt-Forum ist ja an drei Seiten nichts anderes als der Wiederaufbau des feudalistischen Stadtschlosses, dessen kriegszerstörte Reste 1950 gesprengt wurden. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier versucht wird, Kitsch mit einem politisch progressiven Anstrich zu versehen.

Ohnehin wäre es angebrachter, keinen neu entstehenden Platz nach Mandela zu benennen, sondern einen existierenden umzutaufen. Denn selbst wenn eine solch herausragende Person aufs Schild soll: Ähnlich lautlos wie bei neuen Plätzen wird das nicht gehen – es wird ganz sicher diskutiert. Infrage käme zum Beispiel die berüchtigte Mohrenstraße in Mitte, deren Umbenennung linke Aktivisten aktuell fordern. Sie sehen darin – durchaus berechtigt – ein Relikt des Kolonialismus.

Berlin ist reich an Orten, über deren Bezeichnung man nachdenken kann. Und ein bisschen Zeit ist auch noch: Laut dem Berliner Straßengesetz darf erst fünf Jahre nach dem Tod einer Person eine Straße nach dieser benannt werden. BERT SCHULZ