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Archiv-Artikel

Kongos Demobilisierte machen mobil

Frühere Bürgerkriegskämpfer der Demokratischen Republik Kongo können entweder in die neue Armee FARDC eintreten oder sich demobilisieren lassen. Beide Prozesse sind kurz vor den Wahlen festgefahren, Protest nimmt in mehreren Landesteilen zu

VON FRANÇOIS MISSER

In Mbandaka weigern sich Soldaten, in die Kasernen der neuen Armee einzurücken. In Gbadolite belagern demobilisierte Bürgerkriegskämpfer das Gelände der UN-Blauhelme. In Uvira fordern demonstrierende Militärs ihren Sold, in Goma verlangen einstige Milizionäre Fahrgeld zum nächsten Demobilisierungszentrum. In vielen Ecken des Kongo nimmt die Unzufriedenheit unter Militärs zu, und der Prozess der Demobilisierung früherer Bürgerkriegskämpfer und der Bildung einer neuen Armee gerät ins Stocken.

Als im Kongo 2003 Frieden geschlossen wurde, vereinbarten die einstigen Bürgerkriegsfraktionen die Bildung einer gemeinsamen Armee FARDC (Streitkräfte der Demokratischen Republik Kongo). Alle einstigen Bürgerkriegssoldaten sollten sich in „Orientierungszentren“ begeben und dort entweder in die neuen FARDC-Brigaden eintreten oder die Demobilisierung ins zivile Leben beginnen; nichtkongolesische Kämpfer sollten in ihre Heimatländer zurück. Über 400 Millionen Dollar ausländische Hilfe gibt es für dieses von der Weltbank gesteuerte Programm, davon 197 Millionen Dollar von der Weltbank selbst und 122 Millionen von den Niederlanden als größter bilateraler Geber.

Der Aufbau der FARDC liegt hinter Plan: von 18 geplanten Brigaden mit je rund 3.500 Mann – insgesamt 60.000 Soldaten – stehen erst zwölf, die meisten nur auf dem Papier. Viele FARDC-Einheiten sind in Menschenrechtsverletzungen verwickelt und zahlen ihren Soldaten den Sold von 20 US-Dollar monatlich nur unregelmäßig oder gar nicht. Zwar sollen seit diesem Jahr Experten der EU-Militärmission im Kongo „Eusec“ die Soldzahlungen überwachen, statt das Geld einfach den FARDC-Generälen zu überlassen. Doch das EU-Programm ist bisher erst dabei, eine komplette Datenbank der FARDC-Soldaten aufzustellen. Dazu kommen technische Probleme: „Eusec“ hat keine eigene Transportlogistik, Kongos Zentralbank verlangt für die Abwicklung der Armeezahlungen eine Kommission von 10 Prozent.

Bei den Soldaten, die nicht in die neue Armee eintreten, sondern demobilisiert werden, ist die Lage nicht besser. Es ist nicht einmal klar, wie viele es sind. Anfangs wurde die Zahl der Bürgerkriegskämpfer im Kongo auf 345.000 geschätzt. Diese Zahl wurde später mehrmals nach unten korrigiert. Inzwischen spricht das Verteidigungsministerium von 120.000, was allerdings als zu wenig gilt. Conader nennt als Zielvorgabe 90.000 Kandidaten für die Demobilisierung und 65.000 für die erfolgreiche Reintegration ins zivile Leben. Tatsächlich demobilisiert wurden laut Conader bisher nur 75.000 und reintegriert 19.000.

Wer sich demobilisieren lässt, erhält von Conader einmalig 110 US-Dollar Prämie und dann 25 US-Dollar pro Monat als Starthilfe fürs zivile Leben. Doch viele Demobilisierte klagen, sie würden dieses Geld nicht bekommen. In Kindu in der Ostprovinz Maniema wurde die Demobilisierungschefin Regina Kapunga Sifayao verhaftet, weil sie gemeinsam mit einem Armeemajor Zivilisten in die Demobilisierungslager schickte, mit denen sie sich dann die Prämien teilten. An zahlreichen Stellen im Ostkongo sind demobilisierte Bürgerkriegskämpfer in neue Milizen eingetreten.

Ein anderes Problem ist, dass die harten Kerne der einstigen Bürgerkriegsarmeen bisher nicht einbezogen wurden. Präsident Joseph Kabilas Präsidialgarde GSSP mit rund 15.000 Mann steht ebenso außerhalb der offiziellen Strukturen wie die rund 1.500 Kämpfer des Exrebellenführers Jean-Pierre Bemba in und nahe Kinshasa. Und schließlich finanziert Präsident Kabila eigene fragwürdige Demobilisierungsaktionen. Die Aktion „Waffe gegen Fahrrad“ in Katanga, geleitet vom Kirchenführer Ngoy Mulunda und nach dessen Angaben finanziert vom Präsidenten, gibt jedem, der ein Gewehr einreicht, ein Fahrrad. Bisher wurden in den Kriegsgebieten Nord-Katangas laut Ngoy 4.000 Fahrräder verteilt. Aber Hilfswerke klagen: Ein Milizionär reicht ein altes Gewehr ein, kriegt ein Fahrrad, kann damit zurück zu seiner bewaffneten Gruppe fahren und ist dann viel mobiler für die nächste Kriegsrunde.