CHRISTIAN BUSSJENSEITS VON SÜDAFRIKA : Fisch werden, Fisch verstehen
Die Welt versinkt im Fußballtaumel, aber bei Ihnen rufen schwitzende Männer in kurzen Hosen nur Befremden hervor? Und während der WM gibt es nicht mal frische Wochenendkrimis? An dieser Stelle bieten wir Ihnen für fünf Ausgaben eine kleine Alternative zum Kicker-Overkill.
Jacques Cousteaus knallrotes Wollmützchen ist inzwischen durchaus zu einer Art Pop-Accessoire geworden. Seit Wes Anderson 2004 in seiner Unterwasser-Ballade „Die Tiefseetaucher“ eine Truppe melancholischer Soziopathen mit ebensolchen Häubchen auf Tauchgang geschickt hat, ist der Meeresforscher endlich auch wieder für jüngere Jahrgänge ein Begriff.
Wie kein Zweiter formte der Franzose die Vorstellung der Menschen in den Sechziger- und Siebzigerjahren von der Bilderwelt des Ozeans – und zugleich von jenem Menschenschlag, der diesen für die Landratten vor den Leinwänden und Bildschirmen erforschte. Nun wird auf Arte erstmals in restaurierter und auf HD-Format gebrachter Fassung Cousteaus „Welt ohne Sonne“ von 1964 ausgestrahlt, in dem der Meister mit seinen Leuten über Wochen in einer Taucherglocke für damalige Verhältnisse aufregend tief unter Wasser verharrte. Denn um einen Fisch zu verstehen, wird man am besten selber ein Fisch.
Nicht nur die Flossentiere standen bei dem Unterfangen also unter Beobachtung, sondern auch die Ozeanforscher selbst, denn sie brachen ja gleichsam in Regionen auf, die zur Zeit des Wettrüstens für den ersten bemannten Mondflug fast noch ebenso fremd und unerforscht erschienen wie das All.
Wer den Oscar-gekrönten Neunzigminüter sieht, bekommt also nicht nur für damalige Zeiten revolutionäre Unterwasseraufnahmen zu sehen, sondern auch eine Ahnung davon, dass jeder professionelle Naturbeobachter eine gehörige Portion Weltverlorenheit und Weltfrust à la Andersons „Tiefseetaucher“ bedarf. Ein Hoch aufs rote Wollmützchen!
■ Samstag, 20.15 Uhr, Arte: „Welt ohne Sonne“