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Archiv-Artikel

Kompromiss im Einzelhandel

BEZAHLUNG Nach sieben Monaten Tarifstreit haben die Einzelhändler eine neue Vereinbarung getroffen, von der auch Werkverträgler profitieren könnten

Von KVA
„Das ist ein wichtiger Schritt, um die prekäre Beschäftigung einzudämmen“

ARNO PEUKES, VER.DI

Gute Nachrichten für den Einzelhandel. Die letzte Phase des Weihnachtsgeschäfts steht an und die Einzelhändler laufen mit der neuen Tarifvereinbarung nach sieben Monaten Tarifstreit nicht Gefahr, dass Streik-Aktionen der Gewerkschaft Ver.di die Kauflust mindern und ihnen das Geschäft vermiesen.

Um das Weihnachtsgeschäft nicht zu gefährden, waren die Einzelhandelsverbände sogar bereit, einen unkonventionellen Weg zu gehen, und haben neben dem Gehaltstarifvertrag ein Zusatz-Tarifwerk geschaffen. Das regelt die Bezahlung der sogenannten Auffüllkräfte. „Das ist ein wichtiger Schritt, um die prekäre Beschäftigung einzudämmen“, sagt Ver.di-Verhandlungsführer Arno Peukes. Die Einzelhändler lassen im Gegenzug die Sonderzulagen für Kassiererinnen im Manteltarifvertrag unangetastet, der wieder in Kraft gesetzt worden ist.

In den vergangenen Jahren sind viele Drogerie- und Lebensmittelketten sowie die Lebensmittel-Abteilungen von Kaufhäusern dazu übergangen, das Auffüllen von Regalen auszugliedern und die Dienstleistung per Werkvertrag an Fremdfirmen zu übergeben. Beschäftigte solcher Dienstleistungsunternehmen arbeiten in der Regel als Leiharbeiter für Stundenlöhne zwischen fünf und sieben Euro die Stunde. Übernähme das eigene Personal das Auffüllen der Regale, müsste der tarifgebundene Einzelhändler elf Euro die Stunde einkalkulieren. Nach der neuen Tarifvereinbarung für Auffüllungskräfte müssen tarifgebundene Unternehmen nun 9,47 Euro und ab April 9,67 Euro die Stunde bezahlen.

Peukes geht davon aus, dass viele Einzelhändler das Auffüllen jetzt wieder vom eigenen Personal machen lassen. „Denn wenn der Mindestlohn von 8,50 Euro kommt, ist die Diskrepanz nicht mehr so gravierend“, sagt er. Damit wäre das Zwei-Klassen-System im Einzelhandel vom Tisch. Das Betriebsklima, die Motivation und der Produktivitätszuwachs seien besondere Anreize, die Leute wieder einzustellen, sagt Peukes. Wie viele Unternehmen das nutzen werden, kann er aber noch nicht absehen.

Tarifgebunden sind Handelsketten wie Toom, Rewe, Penny und Kaufhof Galeria, Allkauf und Wertkauf oder Edeka. Ob jedoch die meist privat geführten Edeka-Märkte mitziehen, müsse abgewartet werden. Der Tarifvertrag kann nur von der Wirtschaftsbehörde für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn beide Tarifvertragsparteien das beantragen, sagt Peukes. „Auch da müssen wir noch abwarten.“  KVA