Der kleine Dreh

MODE Die Bücher des Modemannes Thomas Rath und der Kulturhistorikerin Gertrud Lehnert sind hilfreich für die hohe Kunst, sich täglich stilvoll und lässig zu kleiden

VON BRIGITTE WERNEBURG

Oft genug ist Kleidung eine hochpolitische Angelegenheit. Doch das ist nicht das Problem. Das liegt an ihrem alltagspolitischen Gewicht. Wir wollen es in unserem Outfit ja nicht nur angenehm oder warm haben, nein, es sollte darüber hinaus unseren Charakter und unsere Persönlichkeit zur Geltung bringen, allerdings ohne zu persönlich und damit womöglich skurril und kunstgewerblich zu wirken.

Wie also ziehe ich mich an, damit ich die Standards erfülle und mich gleichzeitig schon wieder so von ihnen distanziere, dass mir daraus eine eigene stilvolle Lässigkeit erwächst? Das ist die hohe Kunst arbeitstätiger Männer und Frauen im Umgang mit Kleidung und Mode.

Thomas Rath, der lange Jahre für große internationale Modefirmen als Chefdesigner gearbeitet hat, bevor er sein eigenes Label lancierte, nennt diese Kunst „Classic With a Twist“. Denn „kopflos Diktaten und Marken hinterherzurennen wie die Lemminge bringt einen zwar nicht in Lebensgefahr, aber es verdirbt nachhaltig den Geschmack.“

Also klärt er in seinen launig kalauernden „Fashion-Rath“-Gebern die Frau respektive den Mann erst einmal über die Rolle der Klassiker und Basics auf: informiert kurzweilig und tatsächlich immer mit Verweis auf den kleinen Dreh, der die Sache dann ein bisschen lässiger, modischer und überhaupt etwas unkonventioneller macht.

Danach schaut man sich das Sakko genauer an

Da kommen dann die Accessoires ins Spiel, die Schals und Handschuhe, die Strümpfe, aber auch das wohldosiert eingesetzte alte Stück oder das vermeintlich falsch oder unpassend verwendete Teil. Rath argumentiert überzeugend und unterhaltsam, die Lektüre seiner Auslassungen zum Anzug, dem Etuikleid (das immer, immer Ärmel haben muss!) oder dem kleinen Schwarze lohnt sich. Danach schaut man sich den Blazer oder das Sakko, das weiße Hemd und die weißen Bluse noch einmal anders und genauer an, und das gilt auch für die Jeans.

Dass die Jeans uns „daran gewöhnt hat, dass man sich über seine Kleider keine Gedanken machen muss“, würde Thomas Rath so vielleicht nicht unterschreiben. Das sagt die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Gertrud Lehnert. Ihre aktuelle Publikation liefert den theoretischen und historischen Hintergrund zum „Fashion Rath“ als Bestandteil der „ästhetischen und alltagskulturellen Praktiken“, in denen nach Lehnert Mode hervorgebracht wird; und zwar als Ergebnis „des Handelns mit Kleidern“, konkret der „Inszenierung von Kleidern durch Körper und von Körpern durch Kleidung“.

Der Klassiker Jeans hat nun, auch wenn ihn nicht alle tragen, wie Gertrud Lehnert bemerkt, „unsere Körper ein für allemal verändert“. Heute beurteilen wir Körper danach, was für eine Jeansfigur sie machen. Jeans sind Norm geworden, uns habituell vertraut und wir fühlen uns, wenn wir sie tragen, in unserem Körper sicher. In der Jeans haben wir das Gefühl „in allen Kontexten richtig gekleidet zu sein“ und uns „bewegen zu können, wie es die Gelegenheit verlangt“.

Dieser, recht betrachtet, unwahrscheinliche Fall eines universal gültigen Kleidungsstücks verlangt nach Erklärung. Gertrud Lehnerts dazu ansprechend und verständlich vorgetragener, obgleich durchaus komplex angelegter Versuch muss über den Kreis des akademisch mit der Mode befassten Publikums hinaus unbedingt interessieren.

■  Thomas Rath: „Der Fashion Rath für die Frau“. DuMont Buchverlag, Köln 2013, 240 Seiten, 17,99 Euro

■  Thomas Rath: „Der Fashion Rath für den Mann“. DuMont Buchverlag, Köln 2013, 240 Seiten, 22 Euro

■  Gertrud Lehnert: „Mode, Theorie, Geschichte und Ästhetik einer kulturellen Praxis. Fashion Studies“. Transcript Verlag, Bielefeld 2013, 200 Seiten, 24,90 Euro