: Angeschmiert
RASSISMUS Bei „Wetten, dass . . ?“ kommen 108 Paare als Jim Knopf und Lokomotivführer Lukas ins Studio – mit schwarz angemaltem Gesicht. Der Shitstorm war absehbar
VON ULI HANNEMANN
Manchmal kommt mir Deutschland dunkel vor. Dunkel in dem Sinne, dass Augsburger Bürger für die Sendung „Wetten, dass . . ?“ schwarz geschminkt zu einer Saalwette erscheinen und dass das weder sie selbst noch Verantwortliche beim ZDF merkwürdig finden. Dunkel im Sinne von rückständig. Nun wird wieder darüber gestritten, „ob man das darf oder nicht“. Dabei gibt es ein atemberaubend schlichtes Rezept, um einen Streit über derlei überflüssige Aktionen ein für allemal zu vermeiden: EINFACH NICHT MACHEN. Also „machen“ im Sinne von „tun/handeln/ausführen“ und „nicht“ im Sinne einer Negation, und „einfach“ ist ganz einfach. Wir üben das doch sowieso schon täglich, hundertmal, unbemerkt im Alltag.
Macht man nicht
„Ich fahr dem jetzt volle Pulle rein“, denken wir im Straßenverkehr, „Ich bring den um“ im Beruf, „Ich grabsch die jetzt an“ an der Bar, und tun es doch ganz selbstverständlich nicht. Ausnahme: Psychopathen und Präzivilisierte. Denn wir haben gelernt: Es gibt Dinge, die tut man einfach nicht. Das ist allgemeiner Konsens.
Es soll sogar schon Leute geben, die nicht mehr „Krüppel“, „Fotze“ oder „Schwuchtel“ sagen. Da scheint ebenfalls so eine Art Bewusstsein entstanden zu sein – das ist schon fantastisch, wie das funktionieren kann, irgendwie voll die Rücksicht!
Jetzt stellen wir uns vor, es gäbe eine weitere Minderheit, diesmal zu erkennen an der Hautfarbe. Die einen sind hier geboren, die anderen nicht. Und komischerweise wollen sie nicht „zurück nach Afrika“ oder wie dieses Land da heißt, in dem sie zum Teil noch nie gewesen sind. Und sie fühlen sich hier tatsächlich wohler, wenn ihre weißen Mitbürger sie nicht auf eine Weise karikieren, die historisch entmündigend und abwertend gemeint war: Der Schwarze als dümmlich naives, arbeitsscheues und immer grundlos fröhliches Halbwesen zwischen Kind und Erwachsenem. Huch, sind die aber schnell beleidigt.
Seien wir trotzdem mal ein bisschen großzügig: Wäre es denn nicht auch schön, wenn sich alle wohlfühlen? Es wäre doch gar nicht so schlimm, wenn man sich zusätzlich zur Ächtung von Mord und Missbrauch noch ein paar weitere korrekte Standards zulegt, um anderen noch weniger wehzutun, als einen selbst der grausame und entbehrungsreiche Verzicht auf N-Wort und Blackfacing schmerzt.
Die deutsche Kultur ist stark genug. Sie hat Goethe überlebt, den Nationalsozialismus und Markus Lanz. Wetten, dass . . ? sie auch eine weitere kleine Modifikation ihrer Äußerungen wegsteckt? Dass man mit solchen Standards hierzulande hinterherhinkt, gestehen sich viele ungern ein. Deutschland sei doch schließlich so frei, so modern, so multikulturell. Das ist kompletter Quatsch, was aber auch an der kurzen Kolonialgeschichte Deutschlands liegt, die, ganz untypisch, gerade mal zu einem echten Genozid ausreichte.
Behutsame Belehrungen
Daher ist die angelsächsische Arroganz, die den Rassismus in Deutschland nach der Methode Sarrazin oft für genuin erklärt, eher kontraproduktiv. Behutsame Belehrung gerne, doch aushandeln müssen wir das schon selbst. Immerhin wird endlich gestritten. Veränderung braucht Zeit und Diskussionen, keine naseweisen Vorwürfe von Leuten, deren Korrektheit letztlich ein Abfallprodukt des historischen Imperialismus ihrer Herkunftsländer ist.
Letztlich ist es wie in allem auch eine Frage des persönlichen Tellerrands. So schreibt X., die noch gestern vehement gegen Blackfacing eintrat, mir am nächsten Tag, „Wir Normalen“, und meint damit unsere Heterosexualität. Der Grad der Rückständigkeit differiert eben spartenweise.