Kleine Rückflüsse

AFRIKANISCHER FUSSBALL II Was Afrikas Spieler ihrem Kontinent zurückgeben: Den Erfahrungen einheimischer Exprofis wird wenig Vertrauen entgegengebracht. Weiße Trainer genießen ein höheres Ansehen

Die schwarzen Funktionäre sind latent rassistisch gegenüber schwarzen Fußballlehrern

Der Nigerianer Stephen Keshi hat vor vier Jahren eine interessante These in die Welt gesetzt. „Viele der Funktionäre in den afrikanischen Verbänden misstrauen schwarzen Trainern“, hatte er erklärt, nachdem er seinen Job als Trainer der togoischen Fußballnationalmannschaft verloren hatte. Keshis Vorwurf im Subtext: Die schwarzen Funktionäre sind latent rassistisch gegenüber schwarzen Fußballlehrern. Aus europäischer Sicht mag das seltsam klingen, doch der Blick auf die Trainerbänke bei der WM in Südafrika scheint die These zu bestätigen. Algerien ist die einzige der sechs qualifizierten Nationen des gastgebenden Kontinents, die einen afrikanischen Cheftrainer beschäftigt.

Nigeria hat nach dem Afrika-Cup im Januar flugs Shaibu Amodu, den Trainer, der die Qualifikation meisterte, gegen den Schweden Lars Lagerbeck ausgetauscht. „Das Vertrauen in die eigenen Leute fehlt oft“, sagt Otto Pfister, „die Funktionäre sind von den Medien beeinflusst, und der Glaube, alles, was von den Weißen kommt, sei gut, ist immer noch weit verbreitet“, meint der deutsche Trainer, der in fast allen großen afrikanischen Fußballnationen gearbeitet hat. Hier hemmt Afrika sich selbst.

Allerdings sind gut ausgebildete Trainer immer noch recht selten südlich der Sahara. Keshi, 1994 WM-Kapitän Nigerias, schaffte mit Togo die Qualifikation fürs Weltturnier 2006, als es losging, betreute Pfister die Togoer. Der große Durchbruch gelang bisher keinem afrikanischen Trainer, auch deshalb wird angenommen, ein Mann wie Berti Vogts sei kompetenter als jemand wie Keshi, der sowohl mit dem afrikanischen als auch mit dem europäischen Fußball vertraut ist. Doch bei den Spitzennationen gibt es keine Nachfrage nach diesem Spezialwissen.

Anthony Baffoe ärgert das. „Ich finde, es ist höchste Zeit, dass mehr Exspieler ins Geschehen eingreifen, die auch eine internationale Erfahrung haben“, sagt der Ghanaer, der derzeit in der technischen Kommission des afrikanischen Kontinentalverbandes arbeitet. „Ich bin wirklich froh, dass Otto Addo als Jugendtrainer beim HSV arbeitet, dass Ibrahim Tanko Assistenztrainer von Volker Finke in Japan ist, dass Charles Akonnor eine Mannschaft in Ghana trainiert und wir einige von der 90er Generation haben, die ins Trainergeschäft einsteigen“. In Afrika kommt aber nur wenig an von diesem kleinen Fortschritt. So gern Afrikas Stars ihre Erfahrungen an den Heimatkontinent zurückgeben würden, als Trainer bekommen sie kaum Gelegenheit dazu.

Es gibt jedoch auch andere Wege, etwas zurückzugeben. Wilfried Sanou (Urawa Red Diamonds) und Jonathan Pitroipa (Hamburger SV), zwei Nationalspieler aus Burkina Faso, sind in einer Fußballschule namens Planète Champion in Ouagadougou ausgebildet worden, doch das Projekt eines französischen Geschäftsmanns ging pleite. Deshalb haben die Profis, die lange gemeinsam für den SC Freiburg spielten, an derselben Stelle die Kada School gegründet. Einen Rasenplatz gibt es zwar noch nicht, aber 21 akribisch ausgewählte Jungs bekommen hier drei Mahlzeiten am Tag, ein Bett, Fußballtraining und eine Schulausbildung. „Ich will anderen jungen Spielern helfen, schließlich war ich selbst auf einer Fußballschule und habe davon profitiert“, sagt Pitroipa.

Doch solche Projekte sind selten, in der Regel besteht der Haupttransfer, den ein afrikanischer Profi aus Europa nach Afrika leistet, darin, einen Clan von bis zu 100 Leuten zu finanzieren. Es gibt Geschichten von Bundesligaspielern, die ein dickes, fünfstelliges Monatsgehalt verdienen und ihren Arbeitgeber vor dem Monatsende um einen Vorschuss bitten mussten. Weil sie ihr ganzes Geld unter dem Druck der Großfamilie nach Afrika überwiesen haben.

Und so bleibt es fußballerisch oft bei den ganz simplen Dingen, die die Stars aus Europa nach Afrika transferieren. Das Wissen, wie eine Nationalmannschaft ein Trainingslager organisieren sollte, zum Beispiel. Tipps, was für eine medizinische Betreuung notwendig ist, eine gesunde Skepsis gegenüber Voodoo-Ritualen, die im afrikanischen Fußball von großer Bedeutung sind, und ein professioneller Umgang mit den Medien. Ein Spieler wie Didier Drogba von der Elfenbeinküste verfügt über eine gewisse Macht, er stellt Forderungen an den Verband. „Wir entwickeln uns jetzt, auch was die Organisation betrifft“, sagt der Ivorer Guy Demel vom HSV. „Der Verband lernt, dass es nicht reicht, gute Spieler zu haben, auch die Kleinigkeiten müssen stimmen.“ Vielleicht verhilft dieser Wissenstransfer einem der afrikanischen WM-Teilnehmer zu einem großen Erfolg in Südafrika.

DANIEL THEWELEIT