: Die Zutaten eines Konflikts
Spannungen zwischen Kirgisen und Usbeken haben eine lange Vorgeschichte
BISCHKEK taz | Der Süden Kirgisiens an der Grenze zu Usbekistan bietet alle Zutaten für einen sicherheitspolitischen Sprengsatz: eine schwache Regierungsgewalt, wirtschaftliche Armut, die Opiumroute aus Afghanistan, ethnische Spannungen, Islamisten und Geheimdienste.
Vor allem in den südkirgisischen Stadtzentren Osch und Dschalalabad leben seit jeher Usbeken von Handwerk, Handel und Landwirtschaft. An den Stadträndern und in die von der Ebene ins Alai-Gebirge reichenden Tälern betreiben die Kirgisen Viehzucht. Genau vor 20 Jahren in der Endphase der Sowjetunion kam es 1990 im Juni zu einem blutigen Massaker zwischen Kirgisen und Usbeken. Anlass war damals ein Streit zwischen den Gruppen um Wasser- und Landrechte. Seither ist das Verhältnis zwischen den beiden Volksgruppen angespannt.
Die Politik Kirgisiens bestimmt nach der Unabhängigkeit die Machtkonkurrenz zwischen den kirgisischen Clans aus dem wirtschaftlich wohlhabenden Norden und den Clans aus den ärmeren Südprovinzen. Der im April 2010 durch einen Umsturz vertriebene Präsident Kurmanbek Bakijew kommt ursprünglich aus Dschalalabad und leitete von dort aus 2005 die „Tulpenrevolution“, die ihm damals die kirgisische Präsidentschaft bescherte.
Bakijew floh im April 2010 auch anfänglich in seine Heimatprovinz, er musste dann allerdings weiter nach Weißrussland ins Exil, da die erhoffte Unterstützung im Süden Kirgisiens ausblieb. Die usbekische Minderheit achtete in dem innerkirgisischen Konflikt immer auf strenge Neutralität.
Bei dem Machtumsturz im April positionierten sich vor allen die Usbeken aus Dschalalabad jedoch früh auf Seiten der provisorischen Regierung in Bischkek und stellten sich gegen Bakijew. Die provisorische Regierung hieß den usbekischen Bündnispartner nicht willkommen, da diese für die Schützenhilfe politisches Entgegenkommen forderten. So saß die usbekische Minderheit zwischen zwei Stühlen.
Bakijew versucht die Lage vor allem im Süden Kirgistans immer wieder zu destabilisieren. Es existiert seit Mitte Mai auf der Internetplattform YouTube ein Mitschnitt eines Telefonats zwischen dem Präsidentensohn Maxim Bakijew und dessen Onkel Dschanisch Bakijew, die sich darüber unterhalten, wie man am besten mit bezahlten „Halsabschneidern“ die Lage in Kirgisien „unter Dampf halten“ könnte. Zweimal kam es im Laufe des Mai schon zu Spannungen in Dschalalabad. In Osch explodierte der ethnische Hass dann endgültig.
Schon bei der ersten Tulpenrevolution 2005 bediente sich Bakijew der Unterweltsgrößen aus Südkirgisien, die die Opiumroute aus Afghanistan kontrollieren. Auch bei den Unruhen in Osch sollen Unterweltgestalten das auslösende Moment geliefert haben.
Vor allem die Stadt Osch in Grenznähe zu Usbekistan entwickelte sich zu einem Rückzugsgebiet von vor allem religiösen Usbeken, die vor den Nachstellungen der usbekischen Despotie flüchteten. Die usbekische Staatsmacht rückte nach und verfügt bis heute über ein dichtes Netz von Geheimagenten in den südlichen Provinzen des Nachbarlandes. MARCUS BENSMANN