: Verhinderter OB im Knast
Der frühere Kölner Oberstadtdirektor und SPD-Oberbürgermeisterkandidat Klaus Heugel wird zu einer Haftstrafe verurteilt – wegen Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall
AUS KÖLN PASCAL BEUCKER
Drei Jahre und sechs Monate Haft. Regungslos und mit versteinerter Mine nimmt Klaus Heugel das Urteil der 7. Großen Strafkammer des Landgerichts Köln zur Kenntnis. Aber nimmt der ehemals mächtigste Mann Kölns es überhaupt wirklich wahr? Der 69-Jährige wirkt eigenartig abwesend, der Blick aus seinem aschfalen Gesicht scheint ins Nirwana abgeglitten zu sein. Ob Heugel in diesem Moment an jene Zeit Ende der 90er Jahre zurückdenkt, als sich auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere der Sozialdemokrat schon ganz kurz vor seinem großen Ziel wähnte – und die ihn nun hinter Gitter bringen könnte? Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall, attestiert ihm der Vorsitzende Richter Martin Baur. Die Kammer habe nicht den „geringsten Zweifel“ an der Schuld des einstigen Kölner Oberstadtdirektors und SPD-Oberbürgermeisterkandidaten. Heugels damaliges Handeln bezeichnete Baur als „besonders schändlich“.
Zum Verhängnis geworden ist Heugel eine verdeckte Spende des früheren Viersener Entsorgungsunternehmers Hellmut Trienekens in Höhe von 150.000 Mark. Entgegengenommen hatte sie Norbert Rüther, Heugels Nachfolger im SPD-Ratsfraktionsvorsitz. Nach Überzeugung des Gerichts war jedoch Heugel, in dessen aufwändigen Oberbürgermeisterwahlkampfs 1999 das Geld weitgehend floss, der „Initiator der Aktion“. Er habe Rüther vorgeschickt, um Trienekens in Spendierlaune zu versetzen – und der Müllmogul konnte sich als Gegenleistung für seine Großzügigkeit das Wohlwollen der Genossen bei der nach den Kommunalwahlen anstehenden Teilprivatisierung der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe erhoffen. „Da haben sich eben hier die richtigen gefunden“, konstatiert Baur. Für ihn stehen die unlauteren Absichten von Trienekens außer Frage: „Wenn ein CDU-Mitglied einem SPD-Kandidaten Geld gibt, dann hat er ein konkretes Anliegen.“ Trienekens sei es darum gegangen, mit Heugel einen „Schalthebel der Macht“ für seine Zwecke zu nutzen. „Damit haben wir es mit einer typischen Einflussspende zu tun.“
Mit ihrem Urteil folgte die Kammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Heugel habe „ohne Moral und Skrupel“ seine Machtstellung ausgenutzt und „das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des öffentlichen Dienstes erschüttert“, hatte die in ihrem Plädoyer in der vergangenen Woche konstatiert. Er habe eine besondere Vertrauensstellung als Politiker missbraucht, was schon aus Gründen der generellen Abschreckung eine empfindliche Freiheitsstrafe nötig mache. Demgegenüber hatte Heugels Anwalt Jürgen Sauren in seinem Plädoyer am gestrigen Vormittag einen Freispruch gefordert. Sein Mandant sei unschuldig und lege Wert auf die Feststellung, dass er „nicht bestechlich war und ist“. Zumindest fehlte im vorliegenden Fall die Probe aufs Exempel. Denn der illegale Geldsegen nutzte Heugel seinerzeit nicht einmal. Denn mitten im Wahlkampf stolperte der als Favorit ins Rennen gegangene Meisterstrippenzieher über verbotene Aktieninsidergeschäfte. Er musste von seiner Bewerbung zurücktreten, ohne dass seine Partei noch einen Ersatz präsentieren konnte. Seitdem stellt die CDU in Köln das Stadtoberhaupt.
Heugel selbst hatte im Prozess konsequent geschwiegen. Auch am letzten Prozesstag bleibt er dabei. Als er zu seinem Schlusswort aufgerufen wird, entfährt ihm die einzige emotionale Regung in der seit Mitte Mai laufenden Hauptverhandlung: Sein Kopf fällt vorne über auf den Tisch und er schlägt die Hände vor‘s Gesicht. Ein kurzer Schluchzer ist zu vernehmen. Dann hat er sich wieder unter Kontrolle. Und verzichtet auf die ihm zustehenden letzten Worte. Ebensowenig ist ihm nach dem Schuldspruch ein Kommentar zu entlocken. „Nein“, antwortet er nur knapp auf eine entsprechende Nachfrage. Auch Sauren, der an den letzten beiden Prozesstagen das Gericht noch mal mit unzähligen – allesamt abgelehnten – Beweisanträgen in Trapp versetzt hatte – und sich deswegen von Richter Baur vorhalten lassen musste, er betreibe „reines Filibustieren“ – gibt sich schmallippig. Nur eins verrät er: Dass er in Revision gehen werde, sei „keine Frage“.