: Union entdeckt die Demokratie
Wann Burglesum und Schwachhausen wieder einen Ortsamtsleiter bekommen, bleibt nach der gestrigen Parlamentsdebatte offen. Dafür will die CDU den Posten in Zukunft vom Volk wählen lassen
von Eiken Bruhn
Für „echte Bürgerbeteiligung“ und „Stärkung des Demokratieprinzips“ will sich die CDU einsetzen. In Zukunft sollen die Bürger und Bürgerinnen eines Stadtteils ihren Ortsamtsleiter selbst wählen dürfen, forderte gestern Helmut Pflugradt (CDU) in der Sitzung der Stadtbürgerschaft. Damit, so Pflugradt, würde die CDU noch weiter gehen als SPD und Grüne, die sich „lediglich für die Wahl der Ortsamtsleiter durch die Beiräte aussprechen“.
Anlass der gestern zum Teil aggressiv geführten Parlamentsdebatte war ein Antrag der Grünen, endlich eine Lösung für die Besetzung der Ortsamtsleitungen in Burglesum und Schwachhausen / Vahr zu finden. Wie berichtet, verweigert die SPD im Senat ihre Zustimmung, in Burglesum einen Bewerber zu berufen, der nicht das Vertrauen des Beirats besitzt. Im Gegenzug verhindert die CDU die Wiedereinstellung des bisherigen Amtsinhabers in Schwachhausen, Werner Mühl, der ein einstimmiges Beiratsvotum hinter sich hat.
Wie Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) mit Mühl umgehe, mache ihn fassungslos, sagte der SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen. „Er ist ein Mensch und keine Schachfigur.“ Er bescheinigte Röwekamp eine „Zockermentalität“ und verglich ihn mit einem Kleinkind, das trotzig auf den Boden aufstampft und sagt „ich will nicht“. Dem Antrag der Grünen, Mühl sofort einzustellen, könne die SPD leider nicht zustimmen, da sie dann den Koalitionsvertrag mit der CDU brechen würde.
Damit blieb die Forderung der Beiräte Vahr und Schwachhausen unerfüllt. Auf einer Sondersitzung am Montagabend hatten sie an die CDU- und SPD-Politiker in Senat und Bürgerschaft appelliert, ihr Kräftemessen zugunsten von Mühl und der Stadtteile zu beenden. Sowohl die Beiräte als auch Gäste ließen auf der Sitzung ihrer Wut freien Lauf und griffen Röwekamp zum Teil scharf an. Die dicke Luft verflog nur für einen kurzen Augenblick, als Mühl das Wort ergriff. „Ich habe keine Lust mehr“, rief er. Und: „Aber ich sehe mich in der Pflicht der Beiräte und der Bevölkerung, jetzt nicht klein beizugeben.“ Die Angesprochenen dankten es ihm mit tosendem Applaus.
Doch in der Bürgerschaft wurde der Knoten nicht gelöst, die Parteien tauschten ihre bekannten Argumente aus und beschuldigten sich gegenseitig, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Röwekamp beharrte darauf, Mühl aus juristischen Gründen nur „im Paket“ mit dem Bewerber in Burglesum einstellen zu können, SPD und Grüne legten wie schon in den vergangenen Wochen dar, warum es dafür nicht den geringsten Anlass gibt. Die Einigkeit von SPD und Grünen interpretierte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Helmut Pflugradt als Wahlkampfmanöver für eine rot-grüne Koalition.
Einig waren sich SPD und Grüne noch in einem weiteren Punkt: Sie lehnten den Vorschlag der CDU, die Ortsamtsleiter direkt wählen zu lassen, ab. Prinzipiell habe er gegen mehr Demokratie und eine Direktwahl durch die Bevölkerung überhaupt nichts einzuwenden, so Kleen. Allerdings sei der Vorschlag ein einziges Ablenkungsmanöver von den jetzt anstehenden Problemen. Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Güldner, wertete den überraschenden Vorstoß der CDU als Verzögerungstaktik. „Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.“ Es sei typisch für die CDU, Bürgerbeteiligung zu fordern und dann im letzten Moment einen Rückzieher zu machen. Innensenator Thomas Röwekamp nannte den Vorschlag „reizvoll“.