Im Schein des Tomatenlichts

ELEKTRIZITÄT Obwohl viele Birmesen noch gar keinen Zugang zu Strom haben, wird viel Energie nach China exportiert. Inzwischen regt sich dagegen Widerstand

VON NI NI MYINT

Es war eine heiße Nacht im November 2000, als ich beinahe mein Elternhaus anzündete. Ich war 15 Jahr alt, lag auf dem Bett und machte meine Hausaufgaben. Dann fielen mir die Augen zu. Die Flamme der Kerze erfasste das Moskitonetz. Doch zum Glück konnten wir das Feuer rechtzeitig löschen.

Ich stamme aus dem kleinen Dorf Seik Gyi, 177 Kilometer entfern von der ehemaligen Hauptstadt Yangon. Immer schon haben die Bewohner meines Dorfes Kerzen und Öllampen angezündet. Eineinhalb Kilometer weiter, in dem größeren Ort Sharkhe, da gab es sogar elektrischen Strom. Aber die Glühbirnen dort nannten wir nur „Tomatenlicht“, weil sie im Dunkeln so schwach leuchteten wie Tomaten.

Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie wichtig Elektrizität war, bevor ich 2002 zum Studium nach Yangon zog. Plötzlich konnte ich fernsehen, wann immer ich wollte. In meiner Heimat aber lief unser kleiner Schwarz-Weiß-Fernseher mit Batteriestrom. Mein Großvater, der 84 Jahre alt wurde, war süchtig nach den TV-Nachrichten. Danach pries er die Regierung, die Brücken und Straßen baute. Über Stromleitungen sagte er nie etwas, obwohl er manchmal nicht die Nachrichten schauen konnte, weil wir die Batterie zum Aufladen weggegeben hatten.

Reiches armes Land

Ich habe früher auch nie darüber nachgedacht, warum wir in unserem Dorf keinen Strom hatten. Die Fragen kamen mir erst, als ich anfing, als Journalistin zu arbeiten. Und es wurden immer mehr Fragen, nachdem ich 2007 von einem Besuch aus Bangkok zurückgekehrt war. Die staatlichen TV-Sender erklärten mir ständig, wie reich Myanmar an Naturschätzen wie Gas, Teak, Rubine und Jade ist. Aber warum war unser Lebensstandard viel schlechter als in Bangkok? Nach und nach begriff ich, was es hieß, von einem Militärregime regiert zu werden – und was dies für mein Land bedeutet.

Im Jahr 2011 begannen Reformen im Land. Präsident Thein Seins Regierung zurrte die Neuerungen in vielen Bereichen fest, aber natürlich ist alles noch im Fluss. Ausländische Investoren schauen auf Myanmar mit seinen unendlichen Rohstoffquellen, seiner tüchtigen jungen Bevölkerung und seinen billigen Arbeitskräften. Aber ein Problem gibt es: die Versorgung mit elektrischem Strom.

Im vorigen September besuchte ich den Rakhaing-Staat im Westen Myanmars, wo Konflikte zwischen verschiedenen Ethnien und Muslimen ausgebrochen waren. Nahe der Stadt Kyauk Phyu fördert der koreanische Daewoo-Konzern Gas, das nach China verkauft wird. Die Chinesen haben eine Pipeline von hier in die Provinz Yunnan gebaut. Parallel dazu läuft eine Leitung für Rohöl, das aus dem Nahen Osten angelandet wird.

Jährlich sollen zwölf Milliarden Kubikmeter Gas nach China gepumpt werden, 20 Prozent beträgt der Anteil Myanmars. Er soll dafür genutzt werden, die Häuser im Rakhaing-Staat und in anderen Gebieten zu beleuchten.

Aber im Rakhaing sind die Strompreise unglaublich hoch. In den Städten Rambre, Sittwe und Taugup müssen die Menschen drei Cent pro Einheit bezahlen, wenn sie weniger als zehn Einheiten verbrauchen. Bei über zehn Einheiten steigt der Preis auf 44 Cent. Die Stromgesellschaft ist mit der Regierung eng verbunden. Also fragen sich die Anwohner: „In dieser Region gibt es reichlich Gas. Die Militärregierung hat fast alles verkauft. Wir bleiben im Dunkeln oder müssen Unmengen bezahlen. Ist das etwa fair?“ 29 Kraftwerke arbeiten in Myanmar – 18 Wasserkraftwerke, eines wird mit Kohle befeuert, der Rest mit Gas. Aber die zehn Gaskraftwerke produzieren nur 340 Megawatt im Jahr für den lokalen Verbrauch.

China hat versucht, den Irrawaddy-Fluss mit sieben Dämmen zu stauen. Das Myitsone-Projekt ist der größte davon. Aber nach massiven Protesten der Bevölkerung hat Präsident Thein Sein den Bau 2011 gestoppt. Wäre er errichtet worden, hätte Myanmar nur zehn Prozent des Stroms erhalten, der Rest wäre nach China geflossen.

Wenig Strom, dafür teurer

Mehr als ein Viertel der Menschen in Myanmar leben nach Erkenntnissen der Weltbank unter der Armutsgrenze. 70 Prozent haben keinen Zugang zu Strom. In ländlichen Gebieten, wo die Mehrheit der Armen lebt, sind nur 16 Prozent der Haushalte überhaupt an das Elektrizitätsnetz angeschlossen.

Am 29. Oktober dieses Jahres hat die Regierung den Strompreis erhöht, um Verluste auszugleichen. Wenn die Kunden mehr als 100 Einheiten abnehmen, müssen sie nun vier statt drei Cent pro Einheit zahlen. Das sei im Vergleich zu anderen Ländern billig, erklärt das Elektrizitätsministerium. Aber seitdem fällt der Strom in Yangon öfter aus.

Mein Heimatdorf war nicht dabei, als jüngst 4.700 Dörfer (von insgesamt 68.000) ans Stromnetz angeschlossen wurden. Meine Eltern müssen noch immer private Generatoren nutzen, die jeden Tag von sechs Uhr morgens bis 22 Uhr Strom erzeugen. Das kostet sie fast viereinhalb Euro im Monat. Der Strom reicht nur für einen Farbfernseher und zwei Lampen. Für ein besseres Leben, für eine bessere Wirtschaft in unserem Land ist Elektrizität entscheidend. Wann bekommt das ganze Land endlich Strom? Bleibt er für die Landbevölkerung nur ein Traum?