: Berlin wird leerer. Aber keine Panik!
PROGRAMMHILFE Über die Feiertage kommt Berlin traditionell etwas zur Ruhe. Katrin Bettina Müller findet trotzdem genug zu tun. Hier ihre Tipps
Das Stück „Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir“ (bis 21. Dezember, 19.30 Uhr, Theater der UdK) taugt gut zum Anlauf auf das Fest: Am Ende kommt der Santa Crisis, ökologisch korrekt auf einem Fahrrad natürlich, und bringt einen Sack voller Biogeflügel und ethical Fashion. Die Hyperinflation, die zuvor ein seltsamer Guru angekündigt hatte, scheint wohl doch nicht vor Weihnachten einzutreffen. Also stehen alle, die schon angstvoll ermattet niedergesunken waren, wieder auf und feiern.
Im Stück der Studierenden der Universität der Künste kann man sich noch mal so richtig die Katastrophen und Aufreger des Jahres um die Ohren hauen lassen. Eigentlich stammt der Text von Nis-Momme Stockmann und erzählt von einem Banker, der nicht nur selbst aus seinem Beruf ausgestiegen ist, sondern auch nach einem Trick zur Zerstörung des Kapitalismus sucht. In der Interpretation der Studierenden der UdK wird daraus eine Revue auf der Suche nach dem vermissten Aufstand: Eine Bewegung muss her – und wenn das nicht gelingen will, wenigstens ein Musical! Sie haben den Zynismus satt, die Langeweile und das Bescheidwissen – und sind froh, am Ende noch eine Party mitnehmen zu können.
Der 23. Dezember ist notorisch ein Tag, an dem ich mich alt fühle. Müde und schlapp. Morgen soll Weihnachten sein, noch fehlen kleine Geschenke, der Kühlschrank ist auch noch leer, der Wein, der für den 1. Feiertag bei Freunden gekauft werden soll, steht noch im Geschäft. Und alle Geschäfte sind eklig voll. Das übersteht man nur mit der Aussicht, wann es wieder besser wird. Am Abend könnte man zu Hause die Füße hochlegen und einen Film aus den 80er Jahren gucken, in 3sat, „The Verdict“ von Sidney Lumet. Paul Newman spielt einen schon etwas heruntergekommenen Anwalt, der sich mit einem Krankenhaus anlegt. Alte Filme helfen, die eigenen Falten zu vergessen.
Der 25. Dezember ist Schlafen, Essen und Krimilesen gewidmet. Man bleibt auf dem Sofa liegen und stellt sich vor, was man verpasst. Zum Beispiel Filme vom noch ziemlich jungen Schlingensief anzuschauen. Die laufen im Club 69, Teil der Schlingensief-Retrospektive in den Kunstwerken. Mittwochs und Samstags läuft „Tunguska“: Ein Forscher (Alfred Edel) stapft auf der Suche nach der Kunst der Avantgarde durch Schnee und Eis und redet viel. Ein echter Winterfilm und der erste Langfilm von Schlingensief.
Möglicherweise verlangt der 26. Dezember nach etwas Bewegung vor dem Braten mit Familie. Das könnte die Gelegenheit sein, die Friedhöfe vor dem Halleschen Tor in Kreuzberg zu besuchen. Dort gibt es seit November eine Ausstellung über die Familie Mendelssohn, 26 Mitglieder der weit verzweigten Familie werden in Texten und mit Fotografien vorgestellt. Ob Schnee liegen wird? Dann gehören die Friedhöfe in der Stadt oft zu den wenigen Orten, wo er länger liegen und weiß bleiben darf.
Einen schönen und entspannten Kunstausflug könnte man Ende Dezember auch noch einplanen, in das Georg-Kolbe-Museum im Westend, zu der Bildhauerin Renée Sintenis. Viele Fotografen und Fotografinnen haben das Bild der äußerst aparten Künstlerin in der Weimarer Republik festgehalten. Sie ging mit Alfred Flechtheim zum Boxen und porträtierte Boxer in Bronze, sie wurde auf ihrem eigenen Reitpferd im Tiergarten gesehen und sie formte viele kleine Fohlen, Ziegenböcke, Gazellen und Rehe, die nun als bezaubernde Menagerie in dem Museum zu sehen sind.
Und der Kuchen im Cafe K nebendran ist auch ziemlich lecker.
KATRIN BETTINA MÜLLER